Sonntagsbrief zum 2. Sonntag im Jahreskreis 14. Januar 2018

13. Januar 2018 von Johannes Brinkmann

Leibfreundlichkeit

Wilhelm Lehmbruck: Emporsteigender Jüngling (1913) - Lehmbruck-Museum Duisburg Foto: Hans Weingartz

Der Leib ist nicht für die Unzucht da, sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib. Gott hat den Herrn auferweckt; er wird durch seine Macht auch uns auferwecken. Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind?

Wer sich an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm. Hütet euch vor der Unzucht! Jede andere Sünde, die der Mensch tut, bleibt außerhalb des Leibes. Wer aber Unzucht treibt, versündigt sich gegen den eigenen Leib. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!

1 Kor 6, 13c-15a, 17-20 Einheitsübersetzung

 

Das ist mein Leib! Eigentlich müsste doch das Christentum eine sehr leibfreundliche Religion sein.

Ich hatte einmal meine ersten Gelübde als Oblate abgelegt. Das ist eine Ordensgemeinschaft. Der Name Oblate ist ein Sinnbild für unsere innere Haltung: Sich selber zur Speise geben. Hunger stillen!

Irgendwann aber nach den Gelübden bemerkte ich, dass ich total in meinen Kopf ausgewandert war, ich gar nicht ganzheitlich war. Und da dachte ich: Nur ein Erlöster kann erlösen! Und habe das Kloster verlassen. Doch auch heute noch bin ich dem Sinnbild ‚Oblate’ treu geblieben, denn ich bin bestrebt, mich und meine Talente zum größtmöglichen Nutzen Aller einzubringen. Ich habe das Kloster zwar verlassen, meinem Gelübde, Oblate zu sein, bin ich treu geblieben. Ein Grund damals das Kloster zu verlassen, war auch mein Anliegen, eine positive Haltung zu meiner Homosexualität zu finden, denn sie gehört natürlich dazu, wenn ich ganzheitlich sein will.

„Hütet Euch vor der Unzucht.“ schreibt Paulus. Bei dem Wort Unzucht zucke ich immer noch unwillkürlich zusammen. Obwohl ich längst verstanden habe, dass wir Schwulen bei diesem Thema immer wieder und leider immer noch die Funktion des Sündenbocks einnehmen. „Ich bin doch nicht unzüchtig, ich bin doch ein braver Heterosexueller, die da, das sind die unzüchtigen Schweine, der Hölle geweiht!“

Ich finde es hoch problematisch, dass Paulus das Wort Unzucht allein an den Leib knüpft! Dadurch bekam das Christentum seine tiefsitzende Leib- und Sexualitätsfeindlichkeit. Unser deutsches Wort ‚Leib' kommt ursprünglich von dem germanischen Wort leiba– „Leben“. Erst in mittelhochdeutscher Zeit wandelte sich die Bedeutung zu „Körper“. Das hilft mir den Inhalt dieser Lesung zu relativieren.

Im heutigen Evangelium Joh 1,35-42 folgen zwei Jünger des Johannes Jesus und fragen ihn: „Wo wohnst Du?“ Jesu Antwort darauf ist. „Kommt und seht.“, sie hätte aber auch lauten können: „Ich wohne in Deinem Leib!“

Ich wünsche einen gesegneten Sonntag

Johannes Brinkmann

Bild: Wilhelm Lehmbruck: Emporsteigender Jüngling (1913) - Lehmbruck-Museum Duisburg; Foto: Hans Weingartz

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