Ein Herz und eine Seele

Die Menge der zum Glauben Gekommenen war ein Herz und eine Seele und niemand sagte von irgendetwas, das er oder sie besaß, dass es Privateigentum sei, sondern sie teilten alles, was sie hatten. Mit großer Macht legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn; und großes Wohlwollen lag auf ihnen allen. Es litt doch auch niemand Mangel unter ihnen. Alle nämlich, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften sie, brachten die Verkaufserlöse herbei und legten sie den Aposteln zu Füßen. Es wurde einzeln zugeteilt, je nachdem jemand Not litt.

 

Apg 4, 32-35 Bibel in gerechter Sprache

 

Wieder so eine Geschichte, die die christlichen Politiker*innen gern aus dem NT herausschneiden möchten. Ein gefährlicher Kommunismus wird doch da propagiert: Es gibt kein Privateigentum mehr, alle haben alles gemeinsam. Bestenfalls ist das eine Utopie, wohl eher ein Hirngespinst.

 Wenn wir ehrlich sind: Wir denken doch genauso. Bedingungloses Grundeinkommen? Wer soll denn das bezahlen! Da müssen die Fleißigen für die Faulen schuften! Vielleicht liegt unsere Ablehnung daran, dass wir eben nicht "ein Herz und eine Seele" sind, wie es von den ersten Christ*innen gesagt wird.

 Heute geht das doch gar nicht mehr!

 Damit wären wir schon fertig - wenn nicht, ja wenn nicht doch ein Körnchen Wahrheit in dieser Geschichte stecken würde, eine Wahrheit, nach der wir uns alle im Grunde unseres Herzens sehnen: dass alle Menschen haben, was sie zum Leben brauchen.

 Es ist gut, dass es die Tafel gibt - aber warum ist sie denn nötig? Es ist gut, dass es Hartz IV gibt - aber warum verwalten wir die Arbeitslosigkeit statt Menschen in Arbeit zu bringen, vom der sie in Würde leben können? Und warum nimmt in einem der reichsten Länder der Erde die Kinder- und Altersarmut zu?

 Vielleicht schwirrt jetzt dem einen oder der anderen schon der Kopf, obwohl ich von der zum Himmel schreienden Ungleichheit zwischen der Nord- und Südhalbkugel unserer einen Erde noch gar nichts gesagt habe. Wenn jemand meint, das gehe uns doch alles nichts an, dem sei das Wort des Mannes aus Nazaret vor Augen gehalten: "Was ihr den geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan." Vielleicht finden wir unser Herz und unsere Seele wieder.

Magnus Lux

Bildnachweis: 

Maßwerkrosette am Nordquerhaus von Divi Blasii (Mühlhausen/Thüringen) mit neuer Verglasung.

©Michael Fiegle