Sonntagsbrief zum 19. Sonntag im Jahreskreis, 13. August 2017

11. August 2017 von Sigrid Grabmeier

In Gott ruhen

Vor dem Sturm ©Sigrid Grabmeier

Kurz danach forderte Jesus die Jüngerinnen und Jünger auf, in das Boot zu steigen und ihm ans andere Ufer vorauszufahren, bis er die Volksmenge verabschiedet habe. Und er verabschiedete die Volksmenge und stieg auf einen Berg, um allein zu sein beim Beten. Als es Abend geworden war, war er dort ganz für sich allein. Das Boot war schon viele 100 Meter vom Ufer entfernt und kämpfte mit den Wellen. Der Wind war ungünstig. In der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen. Er ging über den See. Die Jüngerinnen und Jünger sahen, wie er auf dem Wasser lief, und erschraken und meinten, er sei ein Gespenst. Und sie schrien vor Angst. Jesus sprach sie sofort an und sagte: „Seid mutig, ich bin es. Fürchtet euch nicht!“ Petrus antwortete ihm: „Jesus, wenn du es bist, dann sag mir, dass ich über das Wasser zu dir kommen soll.“ Er antwortete: „Komm.“ Petrus stieg aus dem Boot aus und lief über das Wasser, um zu Jesus zu gelangen. Als er den starken Wind wahrnahm, bekam er Angst und begann zu versinken. Er schrie: „Jesus, rette mich!“ Jesus streckte sofort seine Hand aus und ergriff ihn und sagte: „Du mit deinem geringen Vertrauen! Warum zweifelst du?“ Als sie dann ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind. Die im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: „Du bist wirklich Gottes Sohn!“

Mt 14, 22-33 Bibel in gerechter Sprache

 

Zwei schwerwiegende Ereignisse hat Jesus gerade hinter sich. Johannes, der ihn getauft hatte, war enthauptet worden und er wollte sich eigentlich zurückziehen um das zu verarbeiten. Aber die Menschen, die seine Botschaft hören wollten und ihm die Kranken brachten, damit er sie heile, ließen das nicht zu. Und so kam es, das sich weit über 5000 Männer, Frauen und Kinder sich im Vertrauen auf ihn um ihn versammelten – und satt wurden. Er hat viel gegeben und er braucht Abstand und Einsamkeit um neue Kraft und Zuversicht zu schöpfen. So beginnt die heutige Textstelle mit seinem Abschied von den Freunden und der Volksmenge und er „stieg auf einen Berg, um allein zu sein beim Beten. Als es Abend geworden war, war er dort ganz für sich allein.“ Immer wieder wird in den Evangelien berichtet, wie Jesus sich alleine oder auch mit seinen Freunden in die Einsamkeit zurückzieht und betet.

Beten. Was hat Jesus über das Beten gesagt? „Wenn du also betest, geh in dein Zimmer, verschließe die Tür und bete zu deinem Gott, dem Unsichtbaren“. Und „Wenn ihr betet, redet nicht endlos wie die Menschen aus den Völkern, die meinen, durch viele Worte erhört zu werden.“ (Mt 6, 6-7) Wie darf ich mir Jesus also vorstellen, wenn er betet? Ich stelle mir vor, dass er Gott sein Erlebtes hinhält, dass er loslässt, dass er sich fallen lässt, im Vertrauen aufgefangen zu werden. Ich stelle mir vor, dass ihn das frei macht und zugleich Kraft gibt. Und ich stelle mir vor, dass das Vater Unser, das er sprach, ganz anders klang als das, das wir kennen.

 „Gottvater und Gottmutter, All-Eines, Vater-Mutter des Kosmos
gereinigt sei mein Herzraum für dein Licht
gib uns göttliche Führung für das, was wir erschaffen
lass Himmel und Erde eine gemeinsame Schöpfung sein, nach deinem göttlichem Willen.“ 

Das ist derAnfang einer von verschiedenen Übersetzungen des Vater Unsers aus dem Aramäischen, der Sprache Jesu.  

Einem Jesus, der so in sich und in Gott ruhen konnte, der so voller Gottvertrauen war, dem traute man auch zu, dass er über das Wasser laufen würde, um so mehr, wenn das eigene Vertrauen immer wieder als zu schwach und zu gering erlebt wurde. Einem Menschen, der so in Gott ruhte, den konnten seine Mitmenschen als Kind Gottes erfahren.

 

Bild: Vor dem Sturm © Sigrid Grabmeier

 

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