Sonntagsbrief zum 19. Sonntag im Jahreskreis, 12. August 2018

11. August 2018 von Georg Mollberg

Engel der Ohnmächtigen gesucht, dringend!

Aufstieg © Sigrid Grabmeier

 

Ahab erzählte Isebel alles, was Elija getan hatte, alles, auch wie er alle Prophetinnen und Propheten mit dem Schwert getötet hatte. Da schickte Isebel einen Boten zu Elija: „So sollen mir die Gottheiten tun und so sollen sie hinzufügen, ja, morgen um diese Zeit mache ich dein Leben dem Leben eines von ihnen gleich.“ Da bekam Elija es mit der Angst zu tun. Er machte sich auf und lief um sein Leben. So kam er nach Beërscheba in Juda, dort ließ er seinen Gehilfen zurück. Er selbst ging einen Tagesmarsch weit in die Wüste. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wollte nur noch sterben. Er sagte: „Es ist nun genug, EWIGE, nimm mein Leben, denn ich bin nicht besser als meine Vorfahren!“ Er legte sich nieder und schlief unter einem Ginsterstrauch ein. Doch plötzlich berührte ihn eine Botschaft: „Steh auf, iss!“ Da blickte er auf, und wirklich, neben seinem Kopf lag auf glühenden Steinen gebackenes Brot und ein Krug Wasser. Er aß und trank, drehte sich um und legte sich wieder hin. Da kam die Botschaft der EWIGEN zum zweiten Mal und berührte ihn: „Steh auf, iss, denn der Weg, der vor dir liegt, ist weit!“ Und er stand auf, aß und trank und ging in der Kraft der Speise 40 Tage und 40 Nächte bis zum Gottesberg, dem Horeb.

 

1 Kön 19,1-8

Bibel in gerechter Sprache 

 

Engel der Ohnmächtigen gesucht, dringend!

Israel scheint den Gott der Befreiung vergessen zu haben. Den Gott Baal zu verehren, war von Königin Isebel befohlen. Um die Juden zur Besinnung zu bringen, tötet Elija die falschen Propheten. Mit seinem Sieg zog er jedoch die Rache der Königin Isebel auf sich. Er muss fliehen. Für Gott kämpfen, die eigene Schwachheit annehmen, angefeindet werden und Andersdenkende ertragen, das hält er nicht mehr aus. Er setzt sich unter einen Ginsterstrauch und möchte nur noch sterben.

So geht es echten Propheten auch heute. Weltweit hetzen Machthaber gedungene Mörder auf moderne „Elijas“. Oscar Romero, Chico Mendes und viele, deren Namen nur Gott kennt, wurden ermordet. Andere werden verdächtigt und gemieden, Dom Helder Camara und Bischof Erwin Kräutler, auch Bischof Gaulliot, der nicht mal im Bistum Würzburg reden durfte. Auch die katholische Kirche hat lange mit reichen Großgrundbesitzern u.a. in Lateinamerika gegen die arme Landbevölkerung gemeinsame Sache gemacht.

Wer gegen Ungerechtigkeiten in Kirche, Staat und Großkonzerne protestiert, wo Natur, Menschen- und Menschenwürde missachtet werden, wer Mitarbeiterrechte einfordert, wird denunziert, bespitzelt, verdächtigt und bestenfalls ausgegrenzt. Auch in Kirche und Pfarrgemeinden mühen sich viele Mitchristen ab, um mehr Freiheit und Mitspracherechte für mündig gewordene Gläubige zu erreichen. Das stört obere Etagen! Orthodoxe Vorstellungen scheinen immer noch stärker zu sein, als das Evangelium. Elijas Schicksal, heute wie damals, brandaktuell.

Doch das ist die Stunde des Engels: „Steh auf und iss!“ Gott lässt seinen Propheten nicht alleine. Er hat noch Großes mit ihm vor. Steh auf und iss! Gott weiß, dass der Prophet alleine den Weg nicht schafft. Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich. Zweimal muss der Engel ihn anstoßen, bis Elija wahrnimmt, was da geschieht. Schließ­lich steht er auf, isst und trinkt und wandert in der Kraft dieser Speise 40 Tage lang bis zum Gottesberg Horeb, von wo das Volk seine Gebote bekam. Dort wird ihm ganz persön­lich die tiefe Erfahrung Gottes geschenkt, aus der er weiterlebt. Er findet die Kraft, Gottes Prophet zu bleiben, trotz aller Fragen und Krisen, trotz aller Verdächtigungen und Bedrohungen.

Trotz vieler Widerstände lassen sich auch heute glaubensfrohe Menschen nicht entmutigen, den Hierarchen immer wieder zu beweisen, was der Rabbi aus Nazareth unter Nächstenliebe verstand. Nur weil sie den Engel Gottes an ihrer Seite wissen, können sie die Angst, die solche Systeme zur Disziplinierung von Mitarbeitern nutzen, über­winden.

Engel gesucht, dringend! Wo sind sie, die uns anstoßen und die notwendige Nahrung für den schweren Weg anbieten? Es sind die, die uns mit offenem Visier begegnen: Du kannst das! Trau dir das doch zu! Ich stütze dich dabei! Damit weiß ich mich getragen und gestärkt. Jetzt kann auch ich Engel für andere werden!

Viele sind es nicht mehr in meiner Gemeinde, die den Mut zum Mut machen haben und so für mich und andere zu motivierenden Engeln werden, die uns aufrütteln, doch nicht aufzugeben. Ohne deren bittende Anstöße jedoch könnte ich den Weg wohl nicht weiter gehen, würde ich resignieren und mich unter den Ginsterstrauch setzen, um zu sterben. Es gibt viele vernünftige Gründe alles hinzuwerfen, aber - Gott sei Dank - gibt es noch Engel, die uns daran hindern!

„Komm und iss!“ sollen alle hören, die nicht mehr weiter wissen. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist!“, verspricht Jesus. Und er sieht sich nicht als Belohnung für die Reinen, Starken und Guten, sondern als Stärkung für alle, die am Boden liegen. Keiner hat ein Recht, einen von ihnen ausschließen. Wer ist wie Gott? Zum 16. Sonntag schrieb Magnus Lux: „Manche in der Leitung und im Kirchenvolk machen aber aus der Kommunion, dem Sakrament der Gemeinschaft, ein Zeichen der Ausgrenzung und fordern von einem evangelischen Ehepartner, von einer evangelischen Ehepartnerin zusätzlich zum Glaubensbekenntnis und zu einem Leben mit Christus ein Bekenntnis zur hierarchischen Struktur der Kirche – obwohl das Wort Hierarchie im ganzen NT nicht vorkommt; dort ist immer vom Dienst die Rede. Doch die Hierarchie wird in den Rang eines Glaubenssatzes erhoben.“

Gott hat Großes auch noch mit uns vor: Er will uns die Erfahrung seiner Nähe schenken, uns zum Gottesberg Horeb führen, damit wir ihn erkennen, auch unter den vielfachen Verfälschungen unserer Tage. Damit wir ihn als Engel für unsere Nächsten bezeugen, als den Gott, der in die Freiheit führt, in das Leben, wo er Gott alles in allem sein wird.

Müdigkeit, Verzweiflung und Glaubensnächte, Israels Wüstenerfahrungen, treffen jeden, der sich dem Liebesgott verspricht. Die Aufnahmeformel für den Kreis Jesu war ja auch nicht sonderlich verlockend: Wer mein Jünger sein will, - also auch mein Prophet -, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ (Mk,8,34)

G. Mollberg

 Foto: Aufstieg © Sigrid Grabmeier

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