Sonntagsbrief zum 18. Sonntag im Jahreskreis,4. August 2024

2. August 2024 von Tobias Grimbacher

Täglicher Bedarf

In jenen Tagen murrte die ganze Gemeinde der Israeliten in der Wüste gegen Mose und Aaron. Die Israeliten sagten zu ihnen: Wären wir doch im Land Ägypten durch die Hand des Herrn gestorben, als wir an den Fleischtöpfen saßen und Brot genug zu essen hatten. Ihr habt uns nur deshalb in diese Wüste geführt, um alle, die hier versammelt sind, an Hunger sterben zu lassen.

Da sprach der Herr zu Mose: Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen. Das Volk soll hinausgehen, um seinen täglichen Bedarf zu sammeln. Ich will es prüfen, ob es nach meiner Weisung lebt oder nicht.

Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sag ihnen: In der Abenddämmerung werdet ihr Fleisch zu essen haben, am Morgen werdet ihr satt werden von Brot und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr, euer Gott, bin.

Am Abend kamen die Wachteln und bedeckten das Lager. Am Morgen lag eine Schicht von Tau rings um das Lager. Als sich die Tauschicht gehoben hatte, lag auf dem Wüstenboden etwas Feines, Knuspriges, fein wie Reif, auf der Erde. Als das die Israeliten sahen, sagten sie zueinander: Was ist das? Denn sie wussten nicht, was es war. Da sagte Mose zu ihnen:

Das ist das Brot, das der Herr euch zu essen gibt. Das ordnet der Herr an: Sammelt davon so viel, wie jeder zum Essen braucht, ein Gomer für jeden, entsprechend der Zahl der Personen in seinem Zelt!

Ex 16, 2-4.12-16 (Einheitsübersetzung)

 

Täglicher Bedarf 

Gott hat die Israeliten aus dem Elend der Unterdrückung herausgeführt. Jetzt versorgt er sie in der Wüste mit dem Lebensnotwendigen. Konkret: mit dem täglichen Bedarf – so viel, wie jede und jeder zum Essen braucht. Und Gott legt Wert darauf, dass niemand Vorräte anlegt, vielleicht sogar mit dem Essen Profit machen kann. Gottes Gerechtigkeit ist also eine Bedarfsgerechtigkeit, für jeden einzelnen Tag.

So lehrt es später auch Jesus im Vater Unser. Wenn wir um „unser tägliches Brot“ bitten, meinen wir ja nicht, dass wir jeden Tag Brot essen sollen, sondern dass wir jeden Tag so viel haben, wie wir zum Essen – zum Leben - brauchen. Gottes Bedarfsgerechtigkeit.

Ein anderes, bei uns verbreitetes Verständnis von Gerechtigkeit ist die Leistungsgerechtigkeit. Wer jeden Tag acht oder zehn Stunden Arbeitsleistung bringt – z.B. als Bänker oder Putzfrau, Ärztin oder Altenpfleger – soll dafür einen leistungsgerechten Lohn erhalten. Ich finde diesen Gedanken gut, frage mich aber, ob Leistung in unserem Land gut definiert ist, wenn dieser Lohn den einen ein Leben in komfortablem Wohlstand ermöglicht, und den anderen nur knapp das Existenzminimum. Ganz zu schweigen von den Menschen im globalen Süden, auf deren Ausbeutung unser Wohlstand zum Teil beruht, und denen schwere Arbeit oft nicht mal den täglichen Bedarf sichert. Gottes Gerechtigkeit sieht anders aus. „Fair Trade“-Siegel versuchen zumindest, faire (also bedarfsgerechte) Löhne zu ermöglichen – doch obwohl die Lohnkosten oft nur ein paar Cent ausmachen, sind solche Produkte mit den Massenwaren meist nicht konkurrenzfähig.

Daneben gibt es ein Verständnis von Bestandsgerechtigkeit. Ist es nicht ungerecht, eine Vermögens- oder Erbschaftssteuer einzufordern, mit denen hohe Vermögenswerte reduziert werden? Ich verstehe die Multimillionäre durchaus, die ihr Vermögen schützen und darum ins Ausland abwandern wollen. Ich bin aber auch denjenigen Erben dankbar, die ihr eigenes Vermögen als ungerecht empfinden. Beim Erben zeigt sich besonders deutlich der Zufall, mit dem wir bei unserer Geburt in unterschiedliche Verhältnisse geworfen werden. Die sinnvollste Lösung wäre wohl eine global geltende Steuer für Erbschaften und Milliardenvermögen - zumal das Ansammeln grosser Vermögenswerte durch Einzelne auch dem Kapitalismus zuwiderläuft, wenn dieses Kapital den gesellschaftlichen Produktionsprozessen entzogen ist.

Aber Gottes Gerechtigkeit richtet sich nicht an die Wohlhabenden, sondern zuerst an die Notleidenden. Ihnen gilt die Zusage, ja die Anordnung Gottes, dass alle so viel bekommen sollen, wie sie zum täglichen Bedarf brauchen. Es liegt an uns als Kirche, an uns als Christinnen und Christen, auf diese göttliche Bedarfsgerechtigkeit in der Welt von heute hinzuwirken.

Tobias Grimbacher 

 

Beim Ökumenischen Kirchentag in München 2010 lud die KirchenVolksBewegung zu einer gemeinsamen Mahlfeier „Gebt ihr ihnen zu essen“ ein. Ähnliche Gedanken lagen dem Konzept zu Grunde. 

 

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