Sonntagsbrief zum 18. Januar 2015

16. Januar 2015 von Johannes Brinkmann

Der Leib ist aber nicht für die Unzucht da, sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib. Gott hat den Herrn auferweckt; er wird durch seine Macht auch uns auferwecken. Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind?
Wer sich dagegen an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm. Hütet euch vor der Unzucht! Jede andere Sünde, die der Mensch tut, bleibt außerhalb des Leibes. Wer aber Unzucht treibt, versündigt sich gegen den eigenen Leib. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!

1Kor 6, 13c-15a, 15-20
Einheitsübersetzung

Das Wort Unzucht lässt mich zusammenzucken, und ich möchte mich am Liebesten nicht weiter damit beschäftigen. Es kommt mir vor wie eine Guillotine! Ich entschied mich aber, diesem Fluchtimpuls nicht nachzugeben. Zunächst habe ich viele Menschen in meinem Umfeld befragt, was sie persönlich mit dem Wort Unzucht verbinden. Alle Antworten drehten sich bezeichnender Weise um Sex. Das gilt ja, wie man sieht, auch für Paulus. Seine Sexualität scheint dem Menschen am Schwierigsten der Zucht zu unterwerfen. Das entspricht auch meiner Erfahrung mit mir selber.

Eine alte Dame, die ich als Altenpfleger pflege, fragte ich: „Unzucht ist ja ein Mangel an Zucht! Wem unterliegt die Zucht?“ Ihre Antwort: „Den Lehrern und der Obrigkeit!“ Eine Antwort, die mich sehr inspirierte. Mit welchem Mittel sorg(t)en Lehrer und Obrigkeit für Zucht? Zur Jugendzeit der alten Dame hieß die Antwort selbstverständlich: Durch Züchtigung! Als ob Lehrer und Obrigkeit selber keinen sexuellen Leib besäßen. Da wundert mich nicht, dass sie ihre Macht in sexualisierter Weise missbrauchten.

Ich aber sage: Allein seinem Gewissen obliegt es, den Menschen in die Zucht zu führen. Dazu muss das Gewissen jedes Menschen frei sein! Das Gewissen anzuregen durch kluge Gedanken und Fragen ist die einzige legitime Aufgabe der Lehrer. Sie müssen Vorbilder sein, darin, ihrem Gewissen in die Zucht zu folgen! So bleiben sie demütig und werden als Vorbilder erlebt! Das Gewissen zu formen ist eines jeden Menschen Pflicht, nicht nur die der Lehrer! Denn der Mensch ist ein soziales Wesen. Allein kann keiner sein!

Es hat sich wohl bewährt, dass eine Gesellschaft besonders dann Geborgenheit schenkt, wenn die Sexualität gedrängt wird, sich auf einen Partner festzulegen. Die Ehe als stabilisierendes Modell. Ich selber bin unendlich dankbar, Eltern gehabt zu haben, die sich liebten und deren Ehe bis zu ihrem Tod wie selbstverständlich stabil war. Diese vorgelebte Stabilität ist mir ein Vorbild; auch mir als schwuler Mann. Lange wurden die Ehen dadurch stabil gehalten, dass man(n) die Frau als dem Manne untertan erklärt hat. Stabilität durch Abhängigkeit und Unterdrückung! So aber bringt der Mensch keine Kultur hervor, die der Freiheit des Gewissens entspricht. Sie bringt er nur dann hervor, wenn Männer und Frauen die gleiche Würde und auch die gleichen Rechte inne haben. Denn die Freiheit des Gewissens verträgt sich nicht mit Ungleichheit und Unterdrückung!

Johannes Brinkmann / Mitglied im Bundesteam

Zurück