Sonntagsbrief zum 17. Sonntag im Jahreskreis, 30. Juli

28. Juli 2023 von Tobias Grimbacher

Alles verstanden?

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der im Acker vergraben war; den fand einer und vergrub ihn wieder. Und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft jenen Acker.
Weiter: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Händler, der schöne Perlen suchte. Als er aber eine besonders kostbare Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Weiter: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Netz, das ins Meer geworfen wurde und Fische aller Art fing. Als es voll war, zogen sie es an Land, setzten sich, sammelten die guten in Körbe und warfen die unbrauchbaren weg.

So wird es sein, wenn diese Welt zu Ende geht: Die Engel werden ausziehen und die Bösen mitten aus den Gerechten herausnehmen, und sie werden sie in den Feuerofen werfen; dort wird Heulen und Zähneklappern sein.

Habt ihr das alles verstanden? Sie antworten ihm: Ja.

Da sagte er zu ihnen: Darum ist jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausherrn gleich, der Neues und Altes aus seiner Schatzkammer hervorholt.

 

Mt 13, 44-52 (Zürcher Bibel) 

 

Alles Verstanden?

Im ganzen 13. Kapitel aus dem Matthäusevangelium, das wir an den letzten drei Sonntagen gehört haben, spricht Jesus zu einer Menschenmenge in Form von Gleichnissen. Immer wieder heisst es „Mit dem Himmelreich ist es wie ...“ Für seinen engsten Kreis gibt Jesus Deutungen zu manchen Gleichnissen. Nun, zum Abschluss, fragt er diese Jüngerinnen und Jüngern, ob sie das alles verstanden haben – und sie antworten mit Ja! 

 

Wirklich?

 

Schon im nächsten Kapitel folgt die Prüfung an der Wirklichkeit, wir werden es am kommenden Sonntag hören. Jesus predigt in einer abgelegenen Gegend, abends haben die Menschen Hunger, die Jüngerinnen und Jünger wollen sie wegschicken, damit sie irgendwo etwas zu essen bekommen. Sie handeln wirklichkeitsnah und schlüssig, durchaus, aber es entspricht nicht dem Reich Gottes. Es gibt sehr viele Interpretationen für diese „Speisung der 5000“, ich möchte es heute mit folgender versuchen: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einer grossen Menschenmenge, die von fünf Broten und zwei Fischen satt wird.

 

Alles verstanden?

 

Mir ist es sehr suspekt, wenn jemand behauptet, alles verstanden zu haben. Wer sagt, er habe alles verstanden, hat all zu oft noch gar nichts verstanden. Der oben geschilderte Realitätscheck passt da gut ins Bild. Die Kirche richtet seit zweitausend Jahren und bis in unsere Tage hinein immensen Schaden an, weil sie tatsächlich glaubt, sie habe alles verstanden – als einzige, allgemeingültig. Ich bin überzeugt: weder Theologinnen und Theologen noch Bischöfe und der Papst, weder Kirchenlehrer noch der Evangelist Matthäus oder Jesus selbst – niemand hat alles verstanden. Nur wenn wir noch nicht alles verstanden haben, sind wir offen für neue Ansätze, für eine Deutung die jemand aus einer eigenen, mir vielleicht komplett unbekannten Lebensrealität mitbringt.

 

Gleichnisse sind das, was die Menschen verstehen können, jede und jeder auf ihre und seine eigene Art, auf der Grundlage der eigenen Lebenserfahrung. Sie sind besser als ihre Deutung, weil sie offen sind für Veränderungen im Leben und in der Welt. In diesem Sinn möchte ich auch die Deutung Jesu hinterfragen. Ist es wirklich nötig, bei der Auslegung dieses Gleichnisses von „Heulen und Zähneklappern“ zu reden? Mir reicht das, was im Gleichnis steht: die guten Fische kommen in den Korb und werden gebraucht, die anderen sind unbrauchbar, werden nutzlos weggeworfen. Wer möchte das schon: nutzlos sein? Wer macht gern etwas, das sich als unbrauchbar herausstellt? Wenn ich etwas mache, will ich doch, dass es brauchbar ist und auch gebraucht wird. Für das Himmelreich passt es also nicht, wenn ich meine Zeit mit unbrauchbarem vergeude, aber ich soll mich mit aller Kraft für das bisschen einsetzen, was ich verstanden haben.

 

Nun wünsche ich Ihnen, dass Sie nicht alles verstanden haben, sondern offen bleiben für das Himmelreich in Ihrem eigenen Leben. Einen gesegneten Sonntag,

 

Tobias Grimbacher

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