Sonntagsbrief zum 17. Sonntag im Jahreskreis, 30. Juli 2017

26. Juli 2017 von Tobias Grimbacher

Neues und Altes und das Reich Gottes

Altes und Neues im Antiquitäten-Laden

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie. Weiter ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen. Als es voll war, zogen es die Fischer ans Ufer; sie setzten sich, lasen die guten Fische aus und legten sie in Körbe, die schlechten aber warfen sie weg. So wird es auch am Ende der Welt sein: Die Engel werden kommen und die Bösen von den Gerechten trennen und in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen. Habt ihr das alles verstanden? Sie antworteten: Ja.

Da sagte er zu ihnen: Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt.

Mt 13,44-52 Einheitsübersetzung

 

Ein reicher Vorrat aus Neuem und Altem. Genau so stelle ich mir meine Kirche vor.

Altes, das sind die Bücher der Bibel, bis zurück zu den Schöpfungstagen, wo wir mit Gott erkennen können: „Es war sehr gut“. Altes, das sind aber auch vielfältige Traditionen, denn ich möchte ausdrücklich eine Kirche, die sich ihrer Traditionen bewusst ist, sie wachhält und daraus lebt. Genauso wichtig ist aber das Neue, das zur Geltung kommen will. Dabei muss die Kirche Neues gar nicht erfinden - wie das Alte kommt es aus einem reichen Vorrat! Was sich im Leben der Gläubigen, in unseren Gemeinschaften und unserer Gesellschaft neu entwickelt, das soll die kluge Kirche hervorholen, davon darf sie sich bereichern lassen. Ich schätze diesen Vers des Matthäusevangeliums, diesen Ausspruch Jesu, besonders wegen seiner Ausgewogenheit, Neues und Altes zusammen gelten zu lassen.

Nun steht dieser Vers nicht allein, auch wenn er sich vom Rest des heutigen Evangeliums klar abhebt. Gibt es einen Zusammenhang?

Matthäus schreibt „Himmelreich“ dort, wo Lukas und Markus „Reich Gottes“ schreiben. Mir ist „Reich Gottes“ lieber – der Bereich unseres Vaters, in dem sein Wille durch uns geschieht, in dem gelingende zwischenmenschliche Beziehungen ebenso möglich sind wie ein Leben ohne die vielgestaltigen Schuldverstrickungen, in denen wir uns alltäglich verfangen. Jesus erzählt vom Reich Gottes in seinem ganzen Reden und Handeln: es ist da als eine erfahrbare Wirklichkeit, jetzt, hier, heute, wenn auch bruchstückhaft.

Reich Gottes ist also ein Schatz, alt und immer wieder vergessen, bis jemand kommt und alles dafür tut, um ihn hervorzuholen. Reich Gottes ist genauso sehr auch die neuste und schönste Perle, alleiniges Ziel und Stolz jeder Kennerin und jedes Sammlers. Reich Gottes, das sind die guten Fische, die wir im Netz unseres Lebens an Land ziehen und darauf hoffen, möglichst wenig Beifang produziert zu haben. Wie die guten Fische in Körbe gelegt werden, so legen wir unsere Reich-Gottes-Erfahrungen in unseren reichen Vorrat.

Wenn ich Euch heute aus der Schrift lehre (im Sinne des Wortes Schriftgelehrter bin, und ein Jünger des Gottesreichs obendrein), dann besteht mein Vorrat also ganz und gar aus „Reich Gottes“. Es können alte Geschichten und eingefahrene Traditionen sein oder neue Erlebnisse: nur was zum Reich Gottes passt, was dem Miteinander aller Menschen dient, das gehört zum reichen Vorrat. Nicht Alt oder Neu ist der Massstab, sondern allein diese Reich-Gottes-Tauglichkeit.

„Hab ihr das alles verstanden?“

 

Ich wünsche Euch allen einen segensreichen Sonntag

Tobias Grimbacher

 

Bild: Altes und Neues im Antiquitäten-Laden „Rost und Gold“, Zürich. © Tobias Grimbacher 2016

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