Sonntagsbrief zum 17. Sonntag im Jahreskreis, 29. Juli 2018
27. Juli 2018 von Eva-Maria Kiklas
„Wir“ und „Die“
Danach ging Jesus fort an das andere Ufer des galiläischen Sees, der bei Tiberias liegt. Viele Leute folgten ihm, weil sie die Wunderzeichen gesehen hatten, die er an den Kranken getan hatte. Jesus ging hinauf auf den Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngerinnen und Jüngern. Es war kurz vor dem jüdischen Pessachfest. Als Jesus nun seine Augen erhob und sah, dass viele Leute zu ihm kamen, sagte er zu Philippus: „Wo sollen wir Brote kaufen, damit sie zu essen haben?“ Dies sagte er, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er wusste selbst, was er tun wollte. Philippus antwortete ihm: „Brote für 200 Denare würden nicht reichen, damit alle auch nur ein bisschen von ihnen bekämen“. Andreas, ein Jünger Jesu, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm: „Es gibt ein Kind hier, das fünf Gerstenbrote und zwei Fische hat; aber was ist das für so viele?“ Jesus sagte: „Lasst die Menschen sich niedersetzen!“ Es gab viel Gras an dem Ort. Die Menschen setzten sich also, an Zahl waren es ungefähr 5 000. Da nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und gab denen, die dort saßen, und genauso gab er ihnen auch von den Fischen, so viel sie wollten. Als sie satt waren, sagte er zu seinen Jüngerinnen und Jüngern: „Sammelt die übrig gebliebenen Stücke, damit nichts verloren gehe.“ Sie sammelten sie also und füllten zwölf Körbe mit den Stücken von den fünf Gerstenbroten, die beim Essen übrig geblieben waren. Als nun die Menschen das Wunderzeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: „Dieser ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommt!“ Als Jesus nun erkannte, dass sie kommen und ihn ergreifen wollten, um ihn zum König zu machen, zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein.
Joh 6,1-15 Bibel in gerechter Sprache
„Wir“ und „Die“
Dass die „wunderbare Brotvermehrung“ ein Wunder der Solidarität, des Miteinander - Teilens war, sehen wohl inzwischen die meisten Christinnen und Christen so. Als ich in einem kleinen Freundeskreis neulich die Frage stellte, was ihnen heutzutage zu dieser Schriftstelle spontan einfiele, kam sofort die Antwort: Die Flüchtlinge. Dass wir unseren Reichtum, den wir in Europa z.T. der Ausbeutung ihrer Länder verdanken, teilen müssen, ist inzwischen Vielen bewusst. Und sehr viele, Christen wie Nichtchristen, haben sich in den letzten drei Jahren bemüht, den Ankommenden zu helfen und ihnen zur Seite zu stehen in einem Land, dessen Sprache sie nicht verstehen und dessen Kultur ihnen fremd ist. Und wir erwarten nun, dass sich diese Menschen integrieren. Aber müssen wir nicht auch das Unsere tun, damit ihnen das gelingt? Genügt es, wenn sie zu essen, ein Dach über dem Kopf und günstigenfalls auch eine Arbeit haben? Bei der Beschäftigung mit dem obigen Evangelium kam mir der Gedanke, dass es bei der Speisung in erster Linie gar nicht darum ging, Hungrige zu versorgen. Die Jünger wollten die Leute wegschicken, damit sie sich in den umliegenden Dörfern das Nötige kaufen können. Eigentlich ganz vernünftig! Vielleicht ging es Jesus bei seinem Einspruch darum, dass die, die sein Wort gehört hatten, nun auch die Wirkung zu spüren bekommen in dem Aufbau von Beziehung, im Teilen des Brotes, im gemeinschaftlichen Mahl. Vor seinem Tod wird er den Jüngern sagen: „Tut dies zu meinem Andenken“! Das gemeinsame Mahl ist in allen Kulturen ein Tun, in dem sich Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit vollzieht, Frieden erfahrbar wird. Da gibt es dann nicht mehr die Spaltung von „wir“ und „die“. Diese Spaltung zu überwinden ist das, was Integration bedeutet. Und das ist unser Anteil. Wie weit wir in Europa davon entfernt sind zeigen drei Beispiele:
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Nach der Brexitabstimmung in England werden Ausländer oft gefragt, wann sie denn endlich wieder in ihre Heimatländer zurückkehren .
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Meine junge Freundin Darin berichtet mir von Feindseligkeiten und Zurücksetzungen, die sie erfährt, obwohl sie perfekt Deutsch spricht, in der Altenpflege schwer arbeitet und Steuern zahlt. Aber - sie trägt ein Kopftuch (das ihr ein junger Mann schon vom Kopf gerissen hat).
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Es geht ja nicht nur den Geflüchteten der letzten Jahre so, sondern auch Menschen, die schon hier geboren sind, aber deren Vorfahren aus einem anderen Land kamen. So berichtete hier in Dresden einer der Starschauspieler - der Vater stammt aus dem Iran, er selbst ist in der DDR aufgewachsen -, dass ihm als Schauspielstudent in einer Theaterkritik bescheinigt wurde, „er spricht sehr gut deutsch“. Und 2016 gestand er in einem persönlichen Monolog vor einer Aufführung des „Othello“ : „Ich fühle mich fremd, mit jedem Tag fremder“. Fremd in einem Land, das 50 Jahre lang schon seine Heimat war. Aber - er hat einen iranischen Namen.
Wenn im christlichen Abendland „Fremde“ ausgegrenzt werden, wenn es gespalten bleibt in „wir“ und „die“, wird Integration nicht gelingen. In den Gerichtsreden (MT.25) sagt Jesus: “Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“, so wie die Emmausjünger den „Fremden“ aufgenommen und mit ihm Mahl gehalten haben. Und da erkannten sie IHN.
Eine erkenntnisreiches Wochenende wünscht Ihnen
Eva- Maria Kiklas