Sonntagsbrief zum 17. Sonntag im Jahreskreis, 28. Juli 2019

26. Juli 2019 von Eva-Maria Kiklas

Warum Beten?

Theo Lauber

Als er einmal an einem Ort betete, sagte einer aus seiner Jüngerschar zu ihm, als er aufgehört hatte: „Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jüngerinnen und Jünger gelehrt hat!“ Er sagte zu ihnen: „Wenn ihr betet, dann sagt:

Du Gott,
dein Name werde geheiligt.
Dein gerechtes Reich komme.
Das Brot, das wir brauchen, gib uns täglich.
Erlass uns unsere Sünden,
wie auch wir denen erlassen,
die uns etwas schulden.
Und führe uns nicht zum Verrat an dir!“

Und er sagte zu ihnen: „Wer von euch hätte einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und sagte zu ihm: Freund, leihe mir drei Brote! Denn mein Freund ist auf der Reise zu mir gekommen und ich habe nichts, was ich ihm geben kann! Und jener würde von innen her rufen: So mache mir doch keine Mühe! Die Tür ist schon verriegelt, und meine Kinder und ich sind im Bett! Ich mag nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Auch wenn er nicht aufstehen und geben wird, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Unverschämtheit aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf. Ich sage euch:

Bittet, so wird euch gegeben werden.
Suchet, so werdet ihr finden.
Klopfet an, so wird euch geöffnet.
Denn alle, die bitten, werden bekommen;
und die suchen, werden finden;
die anklopfen, denen wird geöffnet.

Oder ist unter euch ein Vater oder eine Mutter, die ihrem eigenen Kind eine Schlange anbietet, wenn es um einen Fisch gebeten hat? Oder einen Skorpion, wenn es um ein Ei gebeten hat? Wenn ihr, die ihr doch nichts Besonderes seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird die himmlische Quelle denen die heilige Geistkraft geben, die bitten!“

 Lk11,1-13 Bibel in gerechter Sprache

 

Warum Beten?

Über das Vaterunser ist schon viel gesagt und gepredigt worden.Trotzdem wird es immer auch ganz persönliche Haltungen diesem Gebet gegenüber geben.Für mich selbst gehört es zu den schönsten und mir liebsten Gebeten der Bibel. Es passt immer! 

Was ist es, das dieses Gebet so auszeichnet? Ich denke, Gott braucht unsere Gebet nicht, aber wir brauchen diese Gedanken: Ein Gebet macht etwas mit uns. Für mich ist es ein Gebet des Vertrauens in einen Gott des Lebens und der Liebe, den Jesus mit Vater anredet. Ich bete aber lieber: „Gott, der Du uns Vater und Mutter bist“, um die rein patriarchale Anrede zu vermeiden und das Vertrauen zu potenzieren (bei den Gottesdiensten von WSK auch üblich). Dieses Vertrauen kann mein Selbstwertgefühl und meine Tatkraft stärken, um selbst mitwirken zu können an dem, was ich von Gott erbitte: dass das Reich Gottes kommen möge, ein Reich, in dem es keinen Hunger, keine Ungerechtigkeit, keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, keine Versuchungen gibt und damit „das Böse“ verbannt ist und innerer und äußerer Friede herrscht. 

Das klingt natürlich sehr utopisch Aber diese Utopie finden wir schon im Alten Testament bei Jesaja 11 als Ankündigung des messianischen Reiches. Ist das nicht auch der Traum der Menschheit, seitdem es sie gibt ? Doch wie soll das Realität werden ? Bei meinen Überlegungen zum Vaterunser kam mir in den Sinn, dass Jesus seine Gebetsempfehlung in die Wir- Form kleidet. Das kann der Mehrzahl seiner Jünger geschuldet sein, zu denen er spricht. Aber die Einzahl wäre als ganz persönliche Aufforderung auch möglich gewesen. Man kann es aber auch so sehen, dass solche Utopien nur in der Überwindung von egoistischem Individualismus sich der Realität nähern können, dass jeder Mensch sich als Teil der Menschheitsfamilie fühlt, in dieser Verantwortung übernehmen muss und andererseits sich hinein genommen fühlt in Beziehungen, sei es in Familie, Gemeinde oder Gemeinschaften. 

Ist es nicht genau das, was Jesus meint, wenn er beim letzten gemeinsamen Mahl seiner Tischgemeinschaft sagt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“? Wenn wir um das tägliche Brot bitten, kann es nicht nur um uns gehen, sondern es dürfte niemand mehr Hunger leiden oder sogar sterben, wenn die Güter dieser Erde gerechter verteilt würden und wertvolle Lebensmittel in unseren Breiten vernichtet würden. In der obigen Übersetzung wird um ein gerechtes Reich gebetet. Mehr Gerechtigkeit ließe vielleicht auch die Hassprediger verstummen, die unsere Welt mit Hass vergiften. Aber all das erreichen wir nicht, indem wir mit unseren Gebeten Gott „auf die Nerven“ gehen, wie es nach dem Vaterunser in der folgenden Geschichte beschrieben wird.

Warum also beten? Mein derzeitiger Antwortversuch: Es macht Sinn zu beten, damit wir uns einer Wirklichkeit und Wahrheit öffnen können, die über unsere Vorstellung und unser Wissen hinausgeht und die uns erkennen lassen, welche Sendung und Aufgabe uns selbst zugedacht sind. Darum: "Lasset uns beten, wie Jesus uns zu beten gelehrt hat".

In diesem Sinne Ihnen allen ein gesegnetes Wochenende

Eva- Maria Kiklas

 

 Bildnachweis: Hände ©Theo Lauber

 

 

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