Sonntagsbrief zum 16. Sonntag im Jahreskreis, 23. Juli

21. Juli 2023 von Eva-Maria Kiklas

Das Unkraut der Macht

Er gab ihnen ein anderes Gleichnis zum Nachdenken: Die Welt Gottes ist mit einer Person zu vergleichen, die guten Samen auf ihren Acker säte. Als die Menschen schliefen, kam aber ihr Feind und säte Unkraut mitten in den Weizen und machte sich davon. Als aber die Saat wuchs und Frucht trug, da kam auch das Unkraut hervor. Da gingen die Sklavinnen und Sklaven zu ihrer Herrschaft und sprachen: „Mein Herr, hast du nicht guten Samen in deinen Acker gesät? Woher kommt nun das Unkraut?“ Diese aber sagte zu ihnen: „Eine feindselige Person hat das getan.“ Die Sklavinnen und Sklaven erwiderten: „Willst du nun, dass wir hingehen und es einsammeln?“ Darauf antwortete die Herrschaft: „Nein, damit ihr nicht beim Sammeln des Unkrauts zugleich damit auch den Weizen ausreißt. Lasst beides zusammen wachsen bis zur Ernte. Und zur Zeit der Ernte werde ich den Erntearbeiterinnen und -arbeitern sagen: ´Sammelt zuerst das Unkraut und bündelt es, um es zu verbrennen, den Weizen aber bringt in meine Scheune ein.`“

 

Ein weiteres Gleichnis gab er ihnen zum Nachdenken: Die Welt Gottes ist mit einem Senfkorn zu vergleichen, das ein Mann in seinen Acker säte. Es ist kleiner als alle Samen, wenn es jedoch ausgewachsen ist, wird es die größte aller Gartenpflanzen. Es wird zu einem Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen wohnen.

 

Er erzählte ihnen ein weiteres Gleichnis: Die Welt Gottes ist mit Sauerteig zu vergleichen, den eine Frau nahm und in drei Sat Mehl verbarg, bis das ganze Mehl durchsäuert war. Dieses alles redete Jesus in Gleichnissen zur Volksmenge; und ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen. Damit sollte erfüllt werden, was durch den Propheten gesagt wurde: Ich werde meinen Mund öffnen, um in Gleichnissen zu sprechen. Ich werde aussprechen, was von Anfang der Welt an verborgen da war.

 

Nun verließ er die Menschenmenge und ging ins Haus. Seine Jüngerinnen und Jünger kamen zu ihm und sagten: „Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut im Feld.“ Er antwortete: „Der den guten Samen sät, ist der kommende Mensch. Der Acker ist die Welt. Die guten Samen sind die Töchter und Söhne Gottes. Das Unkraut sind die Töchter und Söhne des Bösartigen. Denn der Feind, der sie gesät hat, ist der Teufel. Die Ernte ist das Ende der Weltzeit; die die Ernte einholen, sind die Engel. Wie nun das Unkraut eingesammelt und mit Feuer verbrannt wird, so wird es beim Ende der Weltzeit zugehen. Der kommende Mensch wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Königtum alles einsammeln, das zur Untreue Gott gegenüber verleitet, und die Menschen, die die Tora übertreten haben. Und sie werden sie in den Feuerofen werfen. Dort werden sie klagen und vor Verzweiflung mit den Zähnen knirschen. Dann werden die Gerechten wie die Sonne leuchten in der Welt Gottes, der Vater und Mutter für sie ist. Die Ohren haben zu hören, sollen hören!“

 

Mt 13, 24-43 Bibel in gerechter Sprache

 

Das Unkraut der Macht

Die Tatsache, dass zwischen dem guten Weizen viel Unkraut wächst, erfährt wohl jeder täglich. Auch die Rolle der ungeduldigen Knechte, die das Unkraut herausreissen wollen, ist uns als Reformgruppe nicht fremd. Das was Jesus in seinen Gleichnissen seinen Hörerinnen und Hörern sagen will, ist in ihrem Alltag erlebbar und vertraut, hat also seinen "Sitz im Leben".

 

In diesem Gleichnis stellt  sich nun die Frage, wer ist der "böse Feind"? Jesus nennt ihn den "Teufel", der das Unkraut sät, das Böse, dass das Gute zu ersticken droht. Dieses Böse nennt die Bibel in gerechter Sprache "Untreue gegenüber Gott". Wenn Gott das Prinzip des Guten, die Macht der Liebe ist, dann bedeutete diese Untreue die Abkehr von diesen Prinzipien. Und was verleitet zur Untreue Gott gegenüber? Ich denke, es ist das Streben nach Macht, wie es in der Schöpfungsgeschichte der Schlange in den Mund gelegt und wie es in den Verführungskünsten des Teufels in der Wüste beschrieben wird, als er Jesus zu Machtdemonstrationen verleiten will, um selbst Macht über ihn zu gewinnen. Die Verführung dazu, Macht zu mißbrauchen, ist in der Geschichte – sowohl den Völkern als auch den Kirchen – zum Verhängnis geworden und hat unendliches Leid verursacht. 

 

Jesus ging es immer um das Reich Gottes, um die Beziehung zu Gott und der Menschen untereinander. Es sollte ein Reich der Liebe und Gerechtigkeit sein, in dem der Modus des Umgangs miteinander der Dienst am Nächsten ist und nicht die Macht des Herrschens. Deshalb hat uns Jesus ein Testament hinterlassen, als er sich beim Pessachmahl von seinen Jüngern verabschiedete. Ist es die Eucharistie oder die Fußwaschung? Die Beschreibung des "neuen Menschen", der Söhne und Töchter Gottes in der Bergpredigt und in den Gerichtsreden kreisen immer um den Dienst am Mitmenschen. Das ist versinnbildlicht beim gemeinsamen Mahl, aber noch deutlicher bei dem Verzicht auf Macht bei der Fußwaschung als Dienst am Menschen. Die ersten Jesusgemeinden handelten auch noch danach: Das erste "Amt", das in der jungen Kirche eingeführt wurde war das des Diakons.

 

Bei einer Meinungsumfrage zu dem Thema: Welche Institutionen besitzen ihr Vertrauen? landeten die Kirchen auf dem vorletzten Platz, während die kirchlichen Wohlfahrtsverbände sehr weit oben auf der Liste standen. In der DDR grassierte das Bonmot, dass die "guten Genossen" im Krankheitsfall kirchliche  Krankenhäuser bevorzugten. Vielleicht liegt in diesem Dienst an den Menschen und die Überwindung der Zweistände – Kirche noch eine Chance für die ramponierte  Kirche und die Überwindung aller Ideologien?

Zum Schluß noch ein Wort des verstorbenen Bischofs Gaillot: "Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts".

 

Ihnen allen einen gesegneten Sonntag!

Eva-Maria Kiklas

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