Sonntagsbrief zum 16. Sonntag im Jahreskreis, 22. Juli 2018

21. Juli 2018 von Magnus Lux

Es gibt nichts Neues unter der Sonne – oder doch?

Über den Wolken © S.Grabmeier

Weh den Hirten, die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen - Spruch des HERRN. Darum - so spricht der HERR, der Gott Israels, über die Hirten, die mein Volk weiden: Ihr habt meine Schafe zerstreut und sie versprengt und habt euch nicht um sie gekümmert. Jetzt kümmere ich mich bei euch um die Bosheit eurer Taten - Spruch des HERRN. Ich selbst aber sammle den Rest meiner Schafe aus allen Ländern, wohin ich sie versprengt habe. Ich bringe sie zurück auf ihre Weide und sie werden fruchtbar sein und sich vermehren. Ich werde für sie Hirten erwecken, die sie weiden, und sie werden sich nicht mehr fürchten und ängstigen und nicht mehr verloren gehen - Spruch des HERRN. Siehe, Tage kommen - Spruch des HERRN - , da werde ich für David einen gerechten Spross erwecken. Er wird als König herrschen und weise handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Land. In seinen Tagen wird Juda gerettet werden, Israel kann in Sicherheit wohnen. Man wird ihm den Namen geben: Der HERR ist unsere Gerechtigkeit.

Jer 23, 1-6 Einheitsübersetzung

 

Es gibt nichts Neues unter der Sonne – oder doch?

„Was geschehen ist, wird wieder geschehen, was getan wurde, wird man wieder tun: Es gibt nichts Neues unter der Sonne“ (Prediger 1,9). Dieses Wort des alttestamentlichen Predigers Kohelet ist mir eingefallen, als ich den Jeremiatext gelesen habe. Vor vermutlich 2500 Jahren hat er seine pessimistischen Predigten aufgeschrieben, also nach den eindringlichen Worten von Jeremia.

Und wenn wir den Jeremiatext heute lesen? Nichts Neues unter der Sonne: „Weh den Hirten, die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen – Spruch des Herrn! Darum, so spricht der Herr … über die Hirten …: Ihr habt meine Schafe zerstreut und versprengt und habt euch nicht um sie gekümmert.“

Ich habe den Eindruck, dass es manchen in der Kirchenleitung nicht um die Menschen geht, die sie leiten sollen, sondern um ihren Machterhalt und ihr klerikales Brimborium, verbrämt mit hehren theologischen Worten. Da steht das selbstgezimmerte Kirchenrecht über dem Wort Jesu. Er reicht Brot und Wein, sein Fleisch und Blut, und sagt: Nehmt und esst, nehmt und trinkt. Damit schenkt er sich den Menschen als Kraftquelle für ihr Leben als Christinnen und Christen. Er hat nicht gefragt: „Bist du katholisch?“ Manche in der Leitung und im Kirchenvolk machen aber aus der Kommunion, dem Sakrament der Gemeinschaft, ein Zeichen der Ausgrenzung und fordern von einem evangelischen Ehepartner, von einer evangelischen Ehepartnerin zusätzlich zum Glaubensbekenntnis und zu einem Leben mit Christus ein Bekenntnis zur hierarchischen Struktur der Kirche – obwohl das Wort Hierarchie im ganzen NT nicht vorkommt; dort ist immer vom Dienst die Rede. Doch die Hierarchie wird in den Rang eines Glaubenssatzes erhoben. – Da wird gegen die Überlegung, geschiedenen Wiederverheirateten die Kommunion zu reichen, die Keule der Häresie geschwungen und auf das Wort Jesu verwiesen: Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen – ohne Überlegung, warum und in welchem Zusammenhang Jesus das gesagt hat, und ohne darüber nachzudenken, wie es im Laufe der Kirchengeschichte auch anders geregelt worden ist. Der Verweis auf das Wort Jesu, dass sich niemand Vater nennen soll, da es nur einen Vater gebe, den im Himmel, wird dagegen leichtherzig überspielt. Wir haben sogar einen „Heiligen Vater“, der den Titel usurpiert hat, mit dem in der Liturgie Gott angesprochen wird, und sich „Stellvertreter Gottes auf Erden“ nennt, gar noch ausgezeichnet mit Unfehlbarkeit.

Nichts Neues unter der Sonne? Doch! Die Menschen können Hoffnung haben: „Ich werde für sie Hirten bestellen … und sie werden sich nicht mehr fürchten und ängstigen und nicht mehr verloren gehen – Spruch des Herrn.“ Die Zeit wird kommen, da richten sich die Menschen nicht mehr nach den Ewig-Gestrigen, die sie in Gesetze und Ängste einzwängen wollen. Nein, die Botschaft des Mannes aus Nazaret, die Botschaft des Evangeliums, der frohen Botschaft vom schon angebrochenen Reich Gottes, wird wieder neu gehört. Sie führt uns zur Freiheit, dass wir alle Menschen als Kinder Gottes, als unsere Schwestern und Brüder ansehen. Franziskus, der Bischof von Rom, will diesen Weg gehen – gehen wir alle mit!

Magnus Lux

 

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