Sonntagsbrief zum 16. Sonntag im Jahreskreis, 21. Juli 2019

19. Juli 2019 von Sigrid Grabmeier

Hörende Kirche

Ewald Ehtreiber 2014

 

Es geschah aber, als sie ihres Weges zogen, daß er in ein Dorf kam; und eine Frau mit Namen Martha nahm ihn in ihr Haus auf. Und diese hatte eine Schwester, genannt Maria, die sich auch zu den Füßen Jesu niedersetzte und seinem Wort zuhörte. Martha aber war sehr beschäftigt mit vielem Dienen; sie trat aber hinzu und sprach: Herr, kümmert es dich nicht, daß meine Schwester mich allein gelassen hat zu dienen? Sage ihr doch, daß sie mir helfe! Jesus aber antwortete und sprach zu ihr: Martha, Martha! Du bist besorgt und beunruhigt um viele Dinge; eins aber ist nötig. Maria aber hat das gute Teil erwählt, das nicht von ihr genommen werden wird.

Lk 10, 38-42 Elberfelder Bibel 1985

Hörende Kirche

Das kennen Sie sicher auch: Man ist eingeladen und der Gastgeber oder die Gastgeberin sind hauptsächlich damit beschäftigt aufzutischen, nachzuschenken, abzuräumen, neues zu bringen, anzubieten und zu nötigen. Vor lauter Geschäftigkeit kommt kein rechtes Gespräch auf und der Kontakt bleibt an der Oberfläche. Oder ein Verein oder eine Kirchengemeinde laden zu einem Fest ein: „für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt“, aber über die Kommunikation hat sich niemand Gedanken gemacht und insbesondere Neulinge tun sich schwer, mit den „Alteingesessenen“ in Kontakt zu kommen.

Jesus ist zu Gast bei Martha. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes die Hausfrau, die Chefin. Sie rotiert als Gastgeberin, will alles perfekt machen, kümmert sich, dass es ihrem Gast gut geht, erfüllt die Konventionen und stellt sich in seinen Dienst. Sie ärgert sich, dass ihre Schwester, die sie sich womöglich extra zur Hilfe ins Haus geholt hat, ein Totalausfall ist. Anstatt beim Herrichten der Speisen zu helfen sitzt sie bei den Männern. Und Jesus findet das auch noch gut. Unmöglich.

Als heute die Austrittszahlen für die Kirchen für 2018 bekannt gegeben wurden, äußerte sich eine Journalistin, sie sähe z.B. auch in der Vernachlässigung der mittleren und jüngeren Mitglieder zugunsten einer vergleichsweise großen Berücksichtigung der älteren und alten Kirchenmitglieder einen Grund, dass diejenigen, die Kirchsteuer zahlen müssten, sich abwendeten. Das mag sowohl für die protestantischen Kirchen wie auch die römisch-katholische Kirche gelten. Bei der katholischen Kirche werden auch noch der große Vertrauensverlust durch den Umgang mit sexueller Gewalt genannt sowie die Unzufriedenheit über die Reformunfähigkeit der Lehre und der kirchlichen Struktur genannt.

Und was hat das alles mit Martha und Maria zu tun? Meine Assoziation war, dass, zumindest in der katholischen Kirche, das eigene Zuhören noch nicht als der „gute Teil“ erkannt und geübt wurde. Ja, natürlich will Kirche dienen und tut das tatsächlich auch in vielerlei Hinsicht. Das ist einer der Gründe, warum sie mir immer noch lieb und teuer ist und warum ich mich als ein Teil dieser Kirche verstehe. Aber noch mehr erlebe ich sie in einem Übereifer, die Konventionen zu erfüllen und den Zwängen zu gehorchen, die sie sich selbst auferlegt hat im Laufe der Jahrhunderte. Die Amts-Kirche hat vergessen und verlernt, sich, so wie Martha, unter die Zuhörenden zu Füßen Jesu einzureihen.

Denn wie und wann hätte Jesus die Ordination, und noch dazu ausschließlich für ehelos lebende, Männer zu Gemeindeleitern, Kultvorständen, Regionalaufsehern und Besetzern des Heiligen Stuhls zum Ausdruck gebracht? Wann hätte er Vorschriften gemacht über Kleidung, Knöpfe oder Krägen? Wann hätte er Choreographien entworfen zum Umschreiten von Altären oder die Verehrung von Reliquien? Wann hätte er sich Ehrentitel ausgedacht oder eine eigene Garde aufgestellt, Staatsdotationen beansprucht oder Kirchensteuer erhoben? 

Und so werkelt die Amtskirche in ihrer institutionellen Schwerhörigkeit immer noch herum und rechtfertigt ihre Geschäftigkeit mit den von ihr selbst aufgestellten Regeln. Schlimmer noch, taub geworden hat sie verlernt in der Sprache von heute die frohe Botschaft weiter zu sagen, neu in die Welt zu setzen, zu den Menschen zu bringen.

Eine Kirche, die in unserer Zeit, in unserer Welt noch etwas zu sagen haben möchte, muss sich Jesus zu Füßen setzen und ganz Ohr sein, sie muss loslassen und sich sowohl von ihren Gewissheiten wie auch Traditionen lösen, sich muss sich auf die Suche machen und nicht schon immer das Ziel kennen, sie muss lernen, neu auf Gott und die Welt zu hören. In einer solchen Kirche will ich dabei sein, in einer solchen Kirche will ich auf die frohe Botschaft Jesu hören. 

Sigrid Grabmeier

Bildnachweis: Pfarrkirche Salzburg-St. Elisabeth an der Plainstraße, Ewald Ehtreiber 2014

Pressemitteilung der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche zu den Kirchenaustrittszahlen

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