Sonntagsbrief zum 15. Sonntag im Jahreskreis, 15. Juli 2018

14. Juli 2018 von Sigrid Grabmeier

Voll getroffen

Zielscheibe ©Wilfried Wittkowsky, 2005

So hat sie mich schauen lassen:
Siehe, die Macht stand auf einer Mauer aus Zinn,
und in ihrer Hand war Zinn.
Gott sagte zu mir: „Was siehst du, Amos?“
Ich sagte: „Zinn.“
Die Macht sagte: „Siehe, ich bin dabei,
Zinn in die Mitte meines Volkes Israel zu legen;
ich kann es nicht mehr verschonen.
Die Kulthöhen Isaaks werden verwüstet,
verheert werden die Heiligtümer Israels.
Ich werde aufstehen gegen das Haus Jerobeam mit dem Schwert.“

Und Amazja, der Priester von Bet-El, ließ Jerobeam, dem König von Israel, sagen: „Amos hat sich gegen dich verschworen, mitten im Haus Israel; das Land kann alle seine Worte nicht ertragen. Denn Amos sagt: ´Durch das Schwert wird Jerobeam sterben, und Israel muss auf jeden Fall in die Verbannung, fort von seinem Boden.`“

Und Amazja sagte zu Amos: „Seher, geh weg! Verschwinde in das Land Juda, iss dort dein Brot und prophezeie dort! Und was Bet-El betrifft: Du wirst hier nicht länger Prophet sein, denn das ist das königliche Heiligtum, der Staatstempel.“Amos antwortete und sagte zu Amazja: „Ich bin kein Prophet und kein Prophetenschüler, sondern ein Hirte und einer, der Maulbeerfeigen anbaut. Da nahm mich Gott von der Herde weg, und Gott sagte zu mir: ´Geh und rede prophetisch zu meinem Volk Israel.`

Und jetzt höre das Wort Gottes: `Du sagst: ,,Du darfst kein Prophet in Israel sein! Und du darfst dem Haus Isaaks nicht weissagen!"` Deshalb sagt Gott: ´Deine Frau wird zur Hure in der Stadt, und deine Söhne und deine Töchter fallen durch das Schwert. Dein Boden wird mit dem Maßband verteilt werden, und du wirst auf unreinem Boden sterben. Denn Israel muss auf jeden Fall in die Verbannung, fort von seinem Boden.`“

Am 7, 12-15 ( Am 7, 8 – 17) Bibel in gerechter Sprache

 

Voll getroffen

Amos also. Bisher hatte ich mit ihm nicht sehr viel zu tun. Und in den Gottesdiensten kommt er auch höchst selten zu Wort. Vielleicht deshalb, weil er sperrig ist, unbequem, und insbesondere gegen die religiöse und politische Oberschicht wettert. Er gehört zu den sogenannten kleinen Propheten, tatsächlich ist das ihm gewidmete Buch sehr kurz. Er ist der erste Prophet, dessen Worte aufgezeichnet wurden, gewirkt hat er ca. 800 Jahre vor Christus. - Auch wenn er selbst von sich sagt, er sei weder Prophet noch Prophetenschüler, so war er ein Hörender und einer, der mit dem Herzen sah.

Amos also. Mit der Perikope, die für diesen Sonntag vorgesehen ist, Am 7, 12- 15, konnte ich nicht wirklich viel anfangen, also habe ich etwas großflächiger gelesen und auch, etwas kleiner gesetzt, die vorangehende 3. Vison sowie folgende Verse hier wiedergegeben. Aber eigentlich muss man ganz am Anfang anfangen.

Amos also. Warum? Weil mich des Thema des Amos voll getroffen hat. Mit beißender Ironie und furchtlos lieferte er das Bild einer Gesellschaft, in der eine Minderheit sich bereichert, die Landwirte und Hirten ausbeutet und enteignet, sich auf Kosten der kleinen Leute ein angenehmes, bequemes Leben macht, in der die Religion nicht Gott sondern den Mächtigen dient und die Priester zu Handlangern der Obrigkeit mutieren. Seine Kritik blieb nicht unbemerkt und folgenlos: Der Oberpriester versuchte ihn abzuschieben. Aber er legte noch eins drauf. - Offensichtlich lies sich König Jerobeam nicht von seinem Herrschaftsstil abbringen. Die Prophezeihung „Israel muss auf jeden Fall in die Verbannung, fort von seinem Boden.“ trat zwei Jahre später ein. -

Das Thema des Amos ist uralt und von verstörender Aktualität. Täglich bekommen wir mit, wie Konzerne sich gerade in den ärmsten Ländern der Erde auf Kosten der Armen bereichern um ihre Imperien zu vergrößern, wie Machthaber Zug um Zug ihre Machtbefugnisse erweitern, wie Religion missbraucht wird um Angst und Schrecken zu verbreiten oder um auszugrenzen. -

Amos also. Voll getroffen.

Wer mehr über das Buch Amos und über die fünf Visionen wissen möchte kann sich bei Worthaus den Vortrag Die Visionen des Amos – ein Meilenstein in der Geschichte der Prophetie von Prof. Dr. Siegfried Zimmer anhören. Das dauert zwar etwas länger, ich meine aber, es lohnt sich.

https://worthaus.org/worthausmedien/die-visionen-des-amos-ein-meilenstein-in-der-geschichte-der-prophetie-5-4-3/

Ich wünsche einen fruchtbaren Sonntag

Sigrid Grabmeier

Bildnachweis: Wilfried Wittkowsky, 2005

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