Sonntagsbrief zum 15. Februar 2015

14. Februar 2015 von Reinhard Olma

Für Jesus steht der konkrete Mensch im Mittelpunkt

Der Herr sprach zu Mose und Aaron: Wenn sich auf der Haut eines Menschen eine Schwellung, ein Ausschlag oder ein heller Fleck bildet, liegt Verdacht auf Hautaussatz vor. Man soll ihn zum Priester Aaron oder zu einem seiner Söhne, den Priestern, führen. Der Priester soll ihn untersuchen. Stellt er auf dem Hinterkopf oder auf der Stirnglatze eine hellrote Aussatzschwellung fest, die wie Hautaussatz aussieht, so ist der Mensch aussätzig; er ist unrein. Der Priester muss ihn für unrein erklären. Der Aussätzige, der von diesem Übel betroffen ist, soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungepflegt lassen; er soll den Schnurrbart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein! Solange das Übel besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.

Lev 13 1-2.43ac 44ab 45-46
Bibelwerk - Einheitsuebersetzung Online

Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde. Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es - werde rein! Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz und der Mann war rein. Jesus schickte ihn weg und schärfte ihm ein: Nimm dich in Acht! Erzähl niemand etwas davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis (meiner Gesetzestreue) sein. Der Mann aber ging weg und erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte, sodass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.

Mk 1 40-45
Bibelwerk - Einheitsuebersetzung Online

Mit den klaren Diagnoseanweisungen aus dem Buch Levitikus ist festzustellen, wer erkrankt ist. Und derjenige erhält nach 7 Tagen nochmals die Chance, dass sich seine Symptome als ungefährlich erweisen und er in der Gemeinschaft verbleiben kann. Andernfalls wird er für die Dauer seiner Krankheit isoliert und ausgestoßen. Das bedeutete oft für den Aussätzigen das Todesurteil. Schließlich muss das Volk, müssen die „Normalen“ geschützt werden.  Einer muss für alle anderen aufgegeben werden. Dazu gibt es tatsächlich keine Alternative?

Plötzlich handelt jemand ganz anders und kümmert sich überhaupt nicht um die von den religiösen und gesellschaftlichen Autoritäten streng überwachten Regeln. Für Jesus ist der Einzelne, der Betroffene wichtiger als die „Normalen“.

Wer sind für uns die Aussätzigen? Sind es die Ebola-Infizierten, die Aids-Kranken, die von Krankenhauskeimen Verseuchten? Oder Menschen die abgestürzt sind, Menschen mit fremdem kulturellem Hintergrund, mit abweichenden Lebensentwürfen oder sexuellen Orientierungen?

Die Beantwortung dieser Fragen wird eher keinen gesellschaftlichen Konsens ergeben. Und für Jesus musste sie das auch nicht. Er stellt zunächst die „Normalen“ in Frage. Das fordert uns heraus, sind wir doch zutiefst davon überzeugt, dass wir normal sind; dass wir gerne tun, was man in dieser Situation schon immer getan hat, was zu unserer Kultur gehört, was die Mehrheit von uns erwartet. Dabei könnten wir doch nzwischen wissen, dass „Mehrheit“ durchaus nicht mit „gut“ gleichzusetzen ist.

Für Jesus steht sofort der konkrete Mensch, der Hilfe bedarf, im Mittelpunkt.  Da wird nicht gefragt, wie er in seine prekäre Situation gekommen ist, durch Fremdverschulden oder durch eigene Schuld,   ob man sich selbst infizieren könnte, ob die zu leistende Hilfe gesellschaftlich akzeptiert ist oder ob man ihn an professionelle Hilfeleister verweisen könnte. Und siehe da: Diese Herangehensweise scheint für alle heilsam zu sein; der Kranke wird gesund – so ist ihm geholfen - und er stellt künftig für sein Umfeld keine Ansteckungsgefahr mehr dar – so ist der Gesellschaft geholfen.

Erstens bedeutet das, dass  die  Gesellschaft  nur zu verbessern bzw. zu entwickeln ist, wenn eine dem  anderen hilft, sie oder ihn heilt,  Mut zu neuem Handeln macht. Ein dorniger Weg fürwahr, sind es doch so viele Therapiebedürftige!

Zweitens bedeutet das, Vorschriften, Gesetze, Anordnungen, vor allem aber Gewohnheiten und scheinbar ewige Wahrheiten immer aufs Neue in Frage zu stellen. Und die Frage muss ausschließlich lauten: Helfen sie Kranken,  Aussätzigen, denen, die anders sind. Gelten sie für den konkreten Einzelfall nicht oder sie sind generell überholt, dann müssen wir sie verändern oder ihre Veränderung einfordern.

Dr. Reinhard Olma

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