Sonntagsbrief zum 14. Sonntag im Jahreskreis, 9. Juli

7. Juli 2023 von Johannes Brinkmann

Durch Irrtum zur Weisheit – Vom Dunkel zum Licht

Juble laut, Tochter Zion! 
Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. 
Gerecht ist er und Rettung wurde ihm zuteil, demütig ist er und reitet auf einem Esel, 
ja, auf einem Esel, dem Jungen einer Eselin. 
Ausmerzen werde ich die Streitwagen aus Efraim 
und die Rosse aus Jerusalem, ausgemerzt wird der Kriegsbogen. 
Er wird den Nationen Frieden verkünden;
und seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer 
und vom Strom bis an die Enden der Erde.
 

Sach 9, 9-10 Einheitsübersetzung  

 

Durch Irrtum zur Weisheit – Vom Dunkel zum Licht

 

 

Auf wie vielen Eseln ritt Jesus in Jerusalem ein? In Matthäus 21,7 brachten die Jünger Jesus nämlich zwei Esel, legten ihre Kleidung über sie und er ritt dann auf beiden Tieren, einer Eselin und ihrem Fohlen, in Jerusalem ein.

Die Anhänger der These, die Bibel sei irrtumslos, werden dies wahrscheinlich einfach überlesen, weil nicht sein kann was nicht sein darf! Tatsächlich steht im hebräischen Original ein Dreizeiler:

 

Siehe, dein König kommt zu dir,
ein Gerechter und ein Helfer, arm, und reitet auf einem Esel
und auf einem jungen Füllen der Eselin.
 

Alttestamentler nennen das einen „synonymen Parallelismus“. Zwei Zeilen sagen ungefähr das Gleiche und die dritte Zeile formuliert es neu. Matthäus begriff offensichtlich diese poetische Konvention nicht. Ihm war wichtig zu vermitteln, dass sich in Jesus die Schriften erfüllen und übersetzte wortwörtlich, was in Sacharja 9,9 geschrieben steht.

 

Diese Stelle ist ein gutes Beispiel das verdeutlicht, dass die Bibel nicht einfach Fakten wiedergibt, sondern eine poetisch theologische Komposition darstellt. Fakten spielen dabei eine untergeordnete Rolle.

 

Die Bibel ist keineswegs irrtumslos!

 

Würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, dass die Weisheit aus dem Irrtum erwächst?

 

Wenn Sie mir zustimmen, ergibt sich zwangsläufig die Frage, warum wir Menschen den Irrtum so fürchten. Weisheit ist einer der Namen GOTTES! Weisheit anzustreben bedeutet deshalb, im Vertrauen auf GOTT die Angst vor dem Irrtum zu überwinden.

Es stimmt natürlich, dass der Irrtum uns in die Irre führen kann.

 

Wie viel mehr aber wächst die Gefahr in die Irre zu geraten, wenn wir den Irrtum ausblenden, ja sogar leugnen? Unsere Vorliebe für Perfektion verführt uns in die Illusion der Perfektion, getrieben von der Angst vor Fehlern und Irrtümern!

 

Irrtümer verunsichern uns, machen uns Angst! Deshalb neigen wir dazu, Menschen Glauben zu schenken, die uns versprechen, sich nicht zu irren.

 

Ein gutes Beispiel ist hier die römisch katholische Kirche, die den Anspruch erhebt, zusammen mit ihrem Mann an der Spitze, dem Papst, unfehlbar zu sein. Sie lädt ein, sich auf sie zu stützen und dadurch in Sicherheit zu sein.

 

Zugleich behauptet sie, eine weise Institution zu sein. Doch wie kann sie weise sein, wenn sie den Irrtum ausschließt, ja schon die Möglichkeit, sich zu irren, komplett ausblendet?

 

Ein anderes gutes Beispiel ist die Bibel. Sie wird uns als Wort GOTTES vorgestellt und damit als sichere Richtschnur, die uns leitet, damit wir vor Irrtümern bewahrt werden. Die Bibel muss demnach frei von Irrtümern sein! Diese Vorstellung der Bibel ist heute zurecht in Zweifel gezogen.

 

Der Mensch als „Krone der Schöpfung“, der sich nach GOTTES Auftrag die Erde „untertan“ machen soll, offenbart sich zunehmend als die Erde zerstörenden Parasiten. Gerade die auf biblische Erzählung begründete Vorstellung, die den Menschen der Natur gegenüberstellt, als wäre er mit ihr unverbunden und von ihr unabhängig, ist nicht mehr haltbar und offenbart sich als gefährlichen Irrtum. Das zwingt zur Neuinterpretation der biblischen Texte.

 

Bisher schien ganz klar, dass die Bibel den Weg GOTTES mit den Menschen erzählt als eine Sammlung unfehlbarer von GOTT selbst inspirierter Worte aus einem Guss. Dass sie sich selbst widersprechen oder gar Irrtümer verbreiten und diese dann in Gegenwart und Zukunft tragen und aufrecht erhalten kann, schien unvorstellbar. Die Bibel als Vehikel für Irrtümer, als Vehikel zur Verwirrung und Desorientierung war und ist bis heute eher nicht vorstellbar! 

 

Ich sage, die Bibel erzählt die Geschichte des Mensch auf dem Weg hin zu GOTT! Sie will einen Prozess vorantreiben von der GOTTES-Ferne hin zur GOTTES-Nähe! Eine Heilsgeschichte erzählt sie im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Ihr Sinn und Ziel ist es, den Prozess der Menschwerdung zum guten Gelingen zu führen. Da es sich aber um die Sammlung von Texten, geschrieben von Menschen handelt, die über den Menschen in seiner jeweiligen geschichtlichen Situation und seiner Erfahrungen mit GOTT berichten, sind diese Texte selbstverständlich menschlichen Irrtümern unterworfen.

 

Sie beinhalten sogar sehr menschliche Interessen, die mit GOTT eingeschärft wurden, damit sie in alle Zukunft hinein Gültigkeit haben sollen.

 

Sie ist eine Sammlung von Texten von Menschen. Der Mensch irrt sich und so ist auch die Bibel und erst recht ihre Interpretation nicht frei von Irrtümern. Dasselbe gilt auch für alle anderen „heiligen Schriften“.

 

Die in der Bibel an zweiter Stelle stehende Schöpfungserzählung von Adam und Eva und Kain und Abel ist ein gutes Beispiel dafür wie menschliche - in diesem Fall eindeutig männliche - Interessen durch GOTT eingeschärft wurden, um sie so in alle Ewigkeit zu erhalten! Die Bibel als angeblich GOTTES Wort wird dadurch zum Machtinstrument für Herrschaftsstrukturen, in diesem Fall für die Macht der Männer!

 

Ganz am Anfang meiner poetisch biblischen Reise zum Anfang der Schöpfung (geschrieben im Jahr 2000, Uraufführung am 09. September 2001) steht der bemerkenswerte Satz: „Und so erzählt die zweite Schöpfungsgeschichte auch den Irrtum des Ackerbauern, der sich selbst erhöhte und erniedrigt wurde. Er und Frau an seiner Seite wurden aus dem fruchtbaren Paradies vertrieben.“ Dieses poetisch theologische Werk kann man auf meiner Homepage www.johannesbrinkmann.de einfach gratis zur Inspiration herunterladen.

 

Einen gesegneten Sonntag in die ganze Runde

Johannes Brinkmann / Essen



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