Sonntagsbrief zum 14. Sonntag im Jahreskreis, 7. Juli 2024

5. Juli 2024 von Tobias Grimbacher

Hartherzig – oder auf die Füsse gestellt

In jenen Tagen, schaute ich das Aussehen der Gestalt der Herrlichkeit des Herrn. Und ich fiel nieder auf mein Angesicht. Da hörte ich die Stimme eines Redenden.
Er sagte zu mir: Menschensohn, stell dich auf deine Füße; ich will mit dir reden. Da kam Geist in mich, als er zu mir redete, und er stellte mich auf meine Füße. Und ich hörte den, der mit mir redete.

Er sagte zu mir: Menschensohn, ich sende dich zu den Söhnen Israels, zu abtrünnigen Völkern, die von mir abtrünnig wurden. Sie und ihre Väter sind von mir abgefallen, bis zum heutigen Tag. Es sind Söhne mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen. Zu ihnen sende ich dich. Du sollst zu ihnen sagen: So spricht Gott, der Herr.
Sie aber: Mögen sie hören oder es lassen - denn sie sind ein Haus der Widerspenstigkeit -, sie werden erkennen müssen, dass mitten unter ihnen ein Prophet war. 

Ez 1,28b-2,5, EÜ

 

Hartherzig – oder auf die Füsse gestellt

 

Ja, da wird also einer zu den Israelitischen Völkern geschickt, die von Gott abtrünnig geworden sind. Vor 2600 Jahren. Und bis zum heutigen Tag?

 

Abtrünnig - von was für einem Gott? Ich höre: Gott stellt Menschen auf ihre Füsse. Er kommt mit seinem Geist in sie, damit sie aufrecht auf ihren Füssen stehen. Er will niemanden, der – vor Ehrfurcht erstarrt – auf das Angesicht niederfällt.

 

Bei den „Söhne mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen“ fällt mir natürlich zuerst unsere Kirchenspitze ein, z.B. die jüngsten Einlassungen des Papstes gegen das Frauendiakonat, oder - bei der Einrichtung des Synodalen Rats - die anhaltenden Blockadeversuche seitens Vatikan und einzelner gottseeliger bischöflicher Exzellenzen in Deutschland. Das ist hartherzig, auch ein bisschen trotzig, und entspricht ganz bestimmt nicht der Handlungsweise Jesu, der allen Menschen einen erfüllenden Platz in der Gesellschaft zukommen lassen will, und der die Menschen aufrichtet: damit sie auf eigenen Füssen stehen. Propheten gäbe es hierzu genug, die nicht gehört werden.

 

Und was ist mit mir? Ich bin selbstkritisch genug um zu wissen, dass ich auch einer mit „hartem Herzen“ bin, der manche Prophetin hört und nicht danach handelt. Der Treibhauseffekt ist seit genau 200 Jahren bekannt, seit 1824. Der Club of Rome hat vor mehr als 50 Jahren vor den Folgen des Klimawandels gewarnt. Ich habe diese grundlegenden Klimazusammenhänge spätestens in den 1990ern im Meteorologiestudium verstanden – und trotzdem fliege ich freudig in den Griechenlandurlaub und esse dort Rind- und Ziegenfleisch. Als übrigens die Klimakleber in der Schweiz vergangenen Sommer die Urlaubsautobahn in den Süden blockiert hatten, wenn auch nur für wenige Stunden, gab es einen grossen Aufschrei. Diesen Sommer haben vom Klimawandel verstärkte Unwetter einen Teil der (anderen) Urlaubsautobahn einfach weggeschwemmt und blockieren sie somit für mehrere Wochen. Der grosse Aufschrei bleibt natürlich aus. Wovor der Prophet nicht warnen darf, tritt also umso stärker ein.  

Anderes Beispiel; ich habe auch verstanden, dass Altersarmut ein Problem ist, und trotzdem helfe ich keiner Betroffenen, engagiere mich nicht politisch dagegen und habe noch nicht mal meine eigene Altersversorgung im Griff. Von der Migration ganz zu schweigen, von Frontex-Pushbacks, Toten im Mittelmeer, Binnenflüchtlingen im Sudan. Man kann ja doch nichts machen! Schon gar nicht ich lascher und hartherziger. (Ausser vielleicht bei Wahlen; oder bei der Klimakatastrophe als einem Auslöser für Migration, siehe oben; ...)

 

So gilt es dann auch für mein Engagement in der Kirche, in der Pfarrei und darüber hinaus. Natürlich machen wir manches richtig, setzen gute Ideen für die Menschen um. Aber natürlich gibt es auch hier Propheten, die recht haben, und denen ich trotzdem nur halbherzig zuhöre und viel lieber in der eingefahrenen Bahn bleibe.

 

Allen aber, die in dieser Welt, Gesellschaft und Kirche heute prophetisch reden, die Missstände anprangern, Lösungen vorschlagen und ausprobieren, Verbesserungen einfordern – die sich auf die eigenen Füsse stellen lassen und die voll Geist sind – möchte ich sagen: macht weiter so! Redet an gegen die Widerspenstigkeit und die harten Herzen, ob Ihr nun gehört werdet oder nicht. Prophetinnen und Propheten unserer Tage: Gott braucht Euch. Wir brauchen Euch! Danke.

 

Tobias Grimbacher

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