Sonntagsbrief zum 13. Sonntag im Jahreskreis, 28. Juni 2015
27. Juni 2015 von Georg Mollberg
Die Kraft der Berührung
Sonntagsbrief zum 13. Sonntag im Jahreskreis
Als Jesus mit dem Boot ans andere Ufer übersetzte, versammelte sich wieder eine große Menschenmenge um ihn, und er blieb dicht am See stehen. Da kam Jaïrus, vom Vorstand der Synagoge, sah ihn und fiel vor seinen Füßen nieder. Jaïrus bat ihn eindringlich: „Meine Tochter liegt im Sterben. Komm doch und lege die Hände auf sie, damit sie gesund wird und lebt“ Da ging Jesus mit ihm.
Eine große Menschenmenge folgte Jesus nach und drängte sich um ihn. Da gab es eine Frau, die seit zwölf Jahren an Blutungen litt und von vielen Ärzten vieles erlitten hatte. Sie hatte ihr ganzes Hab und Gut eingesetzt und ihr war doch nicht geholfen worden. Stattdessen wurde ihre Krankheit immer schlimmer. Die hörte von Jesus, näherte sich in der Menschenmenge und berührte von hinten sein Gewand. Denn sie sagte sich: „Wenn ich ihn berühre, und sei es nur sein Gewand, werde ich gesund werden.“ Im gleichen Augenblick hörte ihr Blut auf zu fließen, und sie spürte an ihrem Körper, dass sie von ihrem Leiden befreit war. Gleichzeitig fühlte auch Jesus an sich, wie die Kraft aus ihm herausfloss, drehte sich in der Menschenmenge um und fragte: „Wer hat mich am Gewand berührt?“ Da sagten seine Jüngerinnen und Jünger zu ihm: „Du siehst doch, wie die Menschenmenge sich um dich drängt, und du fragst: Wer hat mich berührt?“ Jesus blickte sich weiter nach der um, die dies getan hatte. Die Frau fürchtete sich und bebte, denn sie hatte begriffen, was mit ihr geschehen war. Sie trat vor, warf sich vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Da antwortete er ihr: „Tochter Gottes, dein Vertrauen hat dich gesund gemacht. Gehe hin in Frieden, und sei dauerhaft von deinem Leiden geheilt.“
Als er noch redete, kamen ihnen Bedienstete aus dem Haus des Synagogenvorstehers entgegen und riefen: „Deine Tochter ist gestorben. Was behelligst du den Lehrer noch?“ Jesus hörte das Gesagte und sprach zu Jaïrus: „Fürchte dich nicht, hab nur Vertrauen!“ Und niemand durfte ihm folgen außer Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes.
Als sie ins Haus des Synagogenvorstehers kamen, hörte Jesus lauten Tumult und wie Leute heftig weinten und klagten. Da ging er hinein und sagte zu ihnen: „Warum macht ihr solchen Lärm und weint? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.“ Da lachten sie Jesus aus. Er aber warf alle hinaus, nahm den Vater und die Mutter des Kindes und die bei ihm waren und trat ins Zimmer, wo das Mädchen lag. Jesus ergriff die Hand des Mädchens und sagte zu ihr: „Talitha kumi!“, das heißt übersetzt: „Junge Frau, ich sage dir, steh auf von deiner Krankheit!“ Die junge Frau – sie war nämlich schon zwölf Jahre alt – stand sogleich auf und ging umher. Die Menschen gerieten völlig außer sich vor Begeisterung und Entsetzen. Doch Jesus trug ihnen eindringlich auf: „Niemand soll von meinem Tun erfahren. – Und gebt der jungen Frau gleich etwas zu essen.“
Markus 5,21-43
Bibel in gerechter Sprache
Unberührt
Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert, tausend und eine Nacht und es hat Zumm gemacht! Ein Schlager unserer Tage bringt auf den Punkt, was die blutflüssige Frau durchmachen musste. Jahre sehnte sie sich nach Licht, nach Berührung, nach Mitmenschen! Die Krankheit machte sie in den Augen der Mitmenschen unrein, unberührbar, machte sie zur Aussätzigen, die nur noch im Verborgenen, im Dunkeln leben konnte, das keine Nähe mehr zuließ.
Nicht berühren und nicht berührt werden isoliert mich, hält mich von anderen fern, zerfleischt die Seele, kann zum sozialen, physischen und psychischen Tod führen. Ohne dieses menschliche Grundbedürfnis der Nähe, der Berührung, ohne Gespräch und ohne Sichangenommenwissen stirbt der Mensch.
Ein Restvertrauen in Heilungschancen hatte sie sich wohl bewahrt. Könnte Jesus ihr Retter sein? Die Berührung nur des Saumes dieses Rabbi aus Nazareth würde sie heilen können. Sie traut sich, berührt Jesu Gewand und wird geheilt.
Welch ungeheure Kraft muss in Berührung stecken?
In einem bekannten Lied heißt es: Ein Funke ist genug, erzeugt doch helle Flammen, und wer im Dunkeln sucht, den führt der Geist zusammen, ein Blick, ein Händedruck, ein gutes Wort, eine liebende Berührung, tatkräftige Hilfe auch.
Kennen wir das nicht? Das Baby wird ruhig in den Armen der Mutter, die Stimmen der Eltern trösten das ängstliche Kind im Dunkel seines Schlafzimmers, der von erster Liebe enttäuschte findet zu Hause Umarmung und Trost, Berührung nimmt mich auf in die Gemeinschaft, in die Paarbeziehung, bindet Familienmitglieder fester zusammen.
Aber nicht nur körperliche Berührung kann heilen, schon ein verständnisvoller Blick, eine Handbewegung, ein Kopfnicken sind geeignet, aus Trauer Freude und Tanzen zu erzeugen. Die Kirche spricht es aus im „Benedicare!“, segnen, oder wörtlich übersetzt: jemandem Gutes sagen!
Den Himmel werden wir auf Erden nicht erreichen. Aber vielleicht lässt Berührung, in welcher Weise wir sie auch nutzen, beim Nächsten ein Lichtlein von Ewigkeit aufblitzen.
Amen.
Georg Mollberg