Sonntagsbrief zum 12. Sonntag im Jahreskreis, 23. Juni 2024

21. Juni 2024 von Sigrid Grabmeier

Gottvertrauen

Am Abend jenes Tages sagte er zu ihnen: „Lasst uns ans andere Ufer fahren.“ Sie schickten die Volksmenge weg und nahmen ihn so, wie er war, im Boot mit. Weitere Schiffe begleiteten das Boot. Da kam ein heftiger Sturmwind auf, und die Wellen schlugen ins Boot, so dass es voll Wasser lief. Jesus lag im Heck und schlief auf einem Kissen. Sie weckten ihn und riefen: „Lehrer, machst du dir keine Sorgen, dass wir dabei sind unterzugehen?“

„Der Aufgeweckte drohte dem Wind und sagte zum See: „Schweig! Sei still!“ Da legte sich der Wind, und es wurde völlig still. Er fragte sie: „Was fürchtet ihr euch? Habt ihr noch kein Vertrauen?“ Nun ergriff sie große Ehrfurcht, und sie sprachen zueinander: „Wer ist das, dass selbst Wind und See ihm gehorchen?“

Mk 4, 35 – 41 Bibel in gerechter Sprache 

 

Gottvertrauen

 

Ob es so war? Wir wissen es nicht. Aber trotzdem hat uns diese Geschichte viel zu sagen. Die Freunde Jesu machen sich nicht nur Sorgen, sie stecken in echter Existenznot, sie haben Angst um ihr Leben. Ja, vielleicht wirklich Todesangst. Was dann passiert ist irreal. Jesus droht dem Wind und er legt sich. Und er macht ihnen nahezu einen Vorwurf mit seiner Frage „Habt ihr NOCH kein Vertrauen?“

 

Er war ja nun wirklich schon eine ganze Weile mit seinen Jüngern unterwegs, sie hatten erlebt, wie er Dämonen austrieb, die Schwiegermutter des Petrus ins Leben zurückrief, eine aussätzige Person geheilt und eine abgestorbene Hand wieder funktionstüchtig gemacht hatte. In Gleichnissen hatte er vom Reich Gottes und der göttlichen Vollmacht zu ihnen gesprochen und ihnen diese erklärt. Ja, er hatte durchaus Grund, ungeduldig zu werden, er war eben auch ein Mensch.

 

Aber der Evangelist, sicher ein schriftkundiger Jude, beschreibt diese Szene so, dass für sein jüdisches Publikum eine Assoziation zu Psalm 107 nicht unwahrscheinlich ist. Da heißt es in den Versen 25-30:

Die EINE, sie sprach und ließ einen Sturmwind entstehen,
der türmte seine Wellen auf.
Hoch stiegen sie bis zum Himmel, senkten sich tief bis zur Urflut.
Ihre Lebenskraft verging im bösen Geschick.
Sie taumelten und wankten wie Betrunkene,
am Ende mit all ihrer Weisheit.
Da schrien sie zur EINE in ihrer Angst –
und sie führte sie aus aller Bedrängnis heraus,
verwandelte den Sturm in Stille – und seine Wellen schwiegen.
Da freuten sie sich, dass endlich Ruhe war
und sie zum ersehnten Hafen geführt wurden.
 

So wird deutlich, Jesus hat dieses große Vertrauen in Gott, er ist in besonderer Weise begnadet, er handelt aus göttlicher Vollmacht heraus, auf ihn ist Verlass. Und er ist ein Vorbild.

 

In tiefen Nöten, wenn auch nicht in unmittelbarer Lebensgefahr, habe ich mich schon bisweilen befunden. Es hat mir dabei geholfen, so wie ich es aus den Psalmen kannte, meine Hoffnung in Gott zu suchen. Keine großen Arien. Manchmal nur das eine Wort. Die längeren Gespräche eher, wenn keine großen Probleme zu lösen waren. - Das ist die persönliche Seite.

 

Das Vertrauen auf Gott, das wir als Christinnen und Christen in die Welt hineinleben können, ist nicht zu unterschätzen. Das ist eine Kraft, die über das soziale und caritative Engagement hinaus dazu beitragen kann, dass gegenseitiger Respekt, Achtsamkeit, Verantwortung über das eigene Ich hinaus in der Gesellschaft gelebt werden. Ohne dieses Gottvertrauen ginge es uns wie den Personen auf dem Schiff in Psalm 107:

Ihre Lebenskraft verging im bösen Geschick.
Sie taumelten und wankten wie Betrunkene,
am Ende mit all ihrer Weisheit.
 

Gottvertrauen ist nicht einfach da, ganz so wie bei den Freunden Jesu. Wir können es aber einüben. Dazu haben wir auf unseren unterschiedlichen Lebenswegen immer wieder Gelegenheit. Und das ist wichtig, dass wir alle unser Vertrauen aktivieren, damit wir nicht taumeln und ins Wanken kommen.

 

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern einen gesegneten Sonntag

Sigrid Grabmeier

Hier der reparierte Link auf den Sonntagsbrief von Brigitte Karpstein ergänzt um die Reaktion von Herrn A. Becker, die wir unseren Leser*innen nicht vorenthalten wollten: Hier

 

Zurück