Sonntagsbrief zum 10. Sonntag im Jahreskreis, 5. Juni 2016
4. Juni 2016 von Georg Mollberg
Steh auf!
Bald darauf gelangte Jesus in eine Stadt namens Naïn, begleitet von seinen Jüngerinnen und Jüngern und einer großen Volksmenge. Als sie sich dem Stadttor näherten, seht, da kam gerade ein Trauerzug heraus. Der Tote war der einzige Sohn seiner Mutter gewesen, und diese war bereits Witwe. Eine große Menge aus der Stadt begleitete die Frau. Jesus sah sie, hatte Mitleid mit ihr und sagte zu ihr: „So weine doch nicht!“ Er trat an die Bahre heran und berührte sie, da blieben die, die sie trugen, stehen. Er sprach: „Junger Mann, ich sage dir, steh auf!“ Da setzte sich der Tote auf und begann zu reden, und Jesus übergab ihn seiner Mutter. Da wurden alle von Ehrfurcht ergriffen und lobten Gott und sagten: „Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden.« Und: »Gott hat sich unserem Volk rettend zugewandt.“ Und auf diese Weise verbreitete sich das Wort über ihn in Judäa, sowie im benachbarten Land.
Lk 7, 11-17: Dass Wunder von Nain
Bibel in gerechter Sprache
„Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie geschehn!“ sang Katja Ebstein 1970 beim Eurovisonsfestival in Amsterdam.
Ein echtes Wunder präsentiert uns auch das heutige Evangelium. Lukas erzählt, dass Jesus den toten Sohn und Ernährer einer Witwe aus dem Totenreich ins Leben zurückgeholt habe. Können wir das wirklich glauben – ein Toter wird zu neuem Leben erweckt? Vielleicht war der junge Mann ja gar nicht wirklich tot! Heute können Ärzte Menschen ins Leben zurückholen, deren Herz nicht mehr schlägt – nicht durch ein Wunder, sondern durch medizinische Kompetenz. Vielleicht war Jesus einfach nur den Menschen seiner Zeit voraus. Aus Unkenntnis medizinischer Hintergründe wurden in biblischer Zeit ja auch Krankheiten wie z.B. Epilepsie überirdischen Kräften oder Dämonen zugeschrieben.
An der Totenerweckung zweifeln, kann das heißen, mein Christusglaube werde gefährdet? Wohl kaum, denn Glaube besteht nicht darin, ungeprüft alles hinzunehmen, sondern sich mit biblischen Texten auseinanderzusetzen, um tiefer glauben zu lernen.
Lukas erzählt die Aufweckungsszene, weil er die Gottessohnschaft Jesu weitersagen will. Herr, griechisch Kyrios, nennt der Evangelist den Rabbi aus Nazareth und verbannt so den Zweifel, Jesus sei „nur“ ein Prophet oder gar ein Scharlatan. Jesus Christus als Gottes Sohn, in eigener Vollmacht handelnd, ist selbst der Herr über Leben und Tod. Nur Gott kann Tote wieder zum Leben erwecken. Er kann es nicht nur, er tut es auch – und zwar aus Mitleid. Er lässt sich von der Trauer der Witwe berühren und will ihr helfen.
Das ist die unüberbietbare Botschaft dieses Wunders aus Nain, die auch heute noch gilt: Unser Gott ist ein liebender, ein barmherziger, kein unnahbarer oder drohender Gott! Sein Handeln kann sich nur aus Liebe speisen, die vor allem die Armen und Benachteiligten im Blick hat.
Gottes Eingreifen in die Welt muss wunderwirkend sein – im Großen wie im Kleinen, Alltäglichen. Es geschieht immer auch dort, „wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden und neu beginnen, ganz neu. Denn da berühren sich Himmel und Erde, das Friede werde unter uns.“ Auch hier gibt es keine Erklärung, außer dieser, dass Gottes Geist unter uns Platz genommen hat, um Heilung in verletzte Beziehungen zu bringen - wie damals, als Jesus sprach: Junger Mann, steh auf!
Ich wünsche euch allen einen gesegneten Sonntag
Georg Mollberg
Bildnachweis: Lebendiger Stein, Regensburger Dom südl. Seitenschiff, Foto: © Sigrid Grabmeier