Sonntagsbrief zum 10. Mai 2015, 6. Sonntag der Osterzeit

9. Mai 2015 von Eva-Maria Kiklas

Die von Jesus geforderte Liebe ist kein kuscheliges 'Seid nett zueinander, sondern eine, die bis zur letzten Konsequenz gelebt sein soll

6. Sonntag der Osterzeit

Wie mich Gott geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe. Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich die Gebote Gottes gehalten habe und in ihrer Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch sei und eure Freude vollkommen werde. Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als das eigene Leben für die Freundinnen und Freunde hinzugeben. Ihr seid meine Freundinnen und Freunde, wenn ihr handelt, wie ich euch gebiete. Ich nenne euch nicht mehr Sklavinnen und Sklaven, denn eine Sklavin weiß nicht, wie ihre Gebieterin handelt und ein Sklave kennt das Vorhaben seines Herrn nicht. Euch aber habe ich Freundinnen und Freunde genannt, denn ich habe euch alles, was ich von Gott, meinem Ursprung, gehört habe, mitgeteilt. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht tragt und eure Frucht bleibt, so dass euch gegeben wird, um was ihr Gott in meinem Namen bitten werdet. Ich gebiete euch, dass ihr euch gegenseitig liebt!

Joh 15, 9-17
Bibel in gerechter Sprache

Das Erste, was von den ersten Jesus -Gemeinden von außen wahrgenommen wurde, war die Art ihres Zusammenlebens : „Seht, wie sie einander lieben“ sagte man von ihnen. Vielleicht war es genau das, was die erstaunliche Ausbreitung  der kleinen `Sekte´ bewirkte, einer Bewegung, deren Gründer einer der vielen Heilspropheten war, die damals in der jüdischen Welt die Menschen auf das  vermeintliche bevorstehende Ende der Welt vorbereiten wollten.

Die in diesem Text von Jesus geforderte Liebe ist kein kuscheliges `Seid nett zueinander, sondern eine, die bis zur letzten Konsequenz gelebt sein soll: die Hingabe des eigenen Lebens. Die Bibel in gerechter Sprache benutzt das starke Wort „gebietet“, statt des üblichen ihr „sollt“. Eine unzumutbare Forderung ? Woher sollen wir die Kraft zu einer solchen Haltung nehmen? Jesus nennt die Kraftquelle: es ist die Liebe Gottes, die uns unverdient zukommt,  sie ist  Geschenk für alle seine Freundinnen und Freunde. Die ersten Jesusgemeinden haben das begriffen: viele lebten in der Form `kommunistischer´ Gruppen zusammen, in denen es kein Privateigentum mehr gab, sondern sie „teilten alles, was sie hatten“ ( Apg.2, 44 ). Das erste Amt, das es in der Gemeinde gab, war nicht das eines Priesters oder Bischofs, sondern das Amt des Diakons, der sich um die am Rande stehenden Gemeindemitglieder und um gerechte Verteilung der Güter kümmerte.

Manchmal denke ich, dass der friedlose, hasserfüllte Zustand der Welt wesentlich damit zu tun hat, dass wir als Christen und als Kirche das Liebesgebot Jesu so mangelhaft gelebt haben, schon gar nicht in der von Jesus geforderten Radikalität. Wie sonst konnte es im christlich geprägten Abendland Hexenverfolgungen, Ketzerverbrennungen, verheerende Kriege und den Holocaust geben, wo Menschen das Leben genommen wurde, statt das eigene für andere einzusetzen?

Papst Franziskus mahnt endlich wieder das `Kerngeschäft´ der Kirche an – Liebe und Barmherzigkeit –, nach dem es viel zu lange mehr um die reine Lehre, um Gebote und Gesetze ging und Menschen ausgrenzt wurden aus den verschiedensten Gründen. Auch heute noch!

Gerade jetzt gibt es im Hinblick auf die Familiensynode viele Erwartungen auf eine barmherzige, menschenfreundliche Kirche, von der man wieder sagen kann : „Seht, wie sie einander (und andere!) lieben“.

Eva-Maria Kiklas

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