Sonntagsbrief zum 1. Sonntag im Jahreskreis, 10. Januar 2016

9. Januar 2016 von Reinhard Olma

Ein Geschenk mit Folgen

Sonntagsbrief zum 1. Sonntag im Jahreskreis, 10. Januar 2016

Taufe am JordanDas Volk war voll Erwartung und alle überlegten im Stillen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias sei. Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.

Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen. Und während er betete, öffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab, und eine Stimme aus dem Himmel sprach: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“

Lk 3, 15-16, 21-22
Einheitsübersetzung

Wasser hat die Menschen schon immer fasziniert. Zum einen ist Wasser Grundlage alles Lebens von Mensch, Tier und Pflanze. Zum anderen betrachten wir gebannt seine Urgewalt, wenn es an der Küste hoch aufspritzt und sind entsetzt, wenn Fluten alles Leben mit sich reißen. Kein Wunder, dass in der Bibel, vor allem in den Schriften des Alten Testaments, Wasserbilder oft für Gottes Kraft und Energie stehen.  So finden sich in den Psalmen für den heutigen Sonntag auch Bilder von Gottes Geist über gewaltigen Wassern. Bringen wir unsere Kinder und Enkel auch deshalb in die Kirchen, um sie taufen zu lassen, obwohl sie meist noch sehr klein sind und gar nicht verstehen können, was mit ihnen geschieht? Rational ist das jedenfalls nicht vollständig zu erklären. Und die Vorschriften, die uns unsere Kirche zur Aufnahme der Kinder in die Glaubensgemeinschaft macht, greifen für den mündigen Christen auch zu kurz. Es muss etwas mit dem mystischen Teil unseres Glaubens zu tun haben; etwas damit zu tun haben, was wir – wie die Naturgewalten – vor allem sinnlich wahrnehmen können, woraus  wir immer wieder neue Kraft schöpfen. Das vor allem wollen wir so gern auf die uns liebsten Menschen übertragen.

Und diese mystische Sichtweise ist auch nötig bei der Betrachtung des Lukas-Berichts über Jesu Taufe durch Johannes am Jordan.

Da heißt es zunächst ganz lapidar: „Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen.“ Das ist der rationale Teil der Angelegenheit.  Und vermutlich ist das auch alles, was die Zuschauer oder Mitgetauften beobachten konnten, wenn sie nicht gerade von eigenen mystischen Erfahrungen gefesselt waren. Die Stimme aus dem Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich Gefallen gefunden.“ Das ist die persönliche, sinnliche Erfahrung des Getauften, auf die es uns natürlich viel mehr ankommt, die wir auch heute unseren Kindern wünschen.

Aber Vorsicht! Die Gnade der Erwählung ist zwar ein Geschenk, aber entfalten kann es sich erst durch die Taten des Beschenkten.  Und so fängt bei jedem mit der Taufe an, was sich in seinem Leben entfalten und vollenden soll und kann.

Was hat Jesus nach der Taufe getan? Gesalbt mit dem Heiligen Geist, wie es die Apostelgeschichte etwas prosaisch im Geiste ihrer Verfasser formuliert, ist er herumgezogen, hat Gutes getan und herzloses Handeln bekämpft, ermutigt und kritisiert, „böse Geister“ ausgetrieben und geheilt, den Armen und Unterdrückten Hoffnung gegeben.
Ist das nicht in wunderbar konsequenter Analogie die Botschaft von Papst Franziskus: Verwirkliche  in Deinem Leben, wozu Dir in der Taufe die Gnade geschenkt wurde. Hilf den Bedürftigen, nehme die Heimatlosen auf, umarme die Ungeliebten, höre zu, wo keiner zuhören will, zeige den Unsicheren den Weg, lehre die Sprachlosen, sich zu artikulieren! Dann wirst Du endlich die mystische Seite Deines Glaubens erleben und die Stimme aus dem Himmel hören, die auch zu Dir spricht: „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter, an Dir habe ich Gefallen gefunden.“

Reinhard Olma

Zurück