Sonntagsbrief zum 1. Fastensonntag 14. Februar 2016

13. Februar 2016 von Tobias Grimbacher

Kein blinder Glaube!

Sonntagsbrief zum 1. Fastensonntag, 14. Februar 2016

Petersplatz - Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Romevatican.JPGJesus aber kehrte voller heiliger Geistkraft vom Jordan zurück und wurde vom Geist in der Wildnis herumgetrieben. Während 40 Tagen wurde er vom Teufel schwer geprüft. In jenen Tagen aß er nichts, und als diese Tage vorbei waren, hatte er großen Hunger. Da sagte der Teufel zu ihm: „Bist du ein Sohn Gottes, so sage zu diesem Stein, dass er Brot werden soll!“ Jesus aber antwortete ihm: „Es steht in der Schrift geschrieben: Die Menschen werden nicht vom Brot allein leben.“

Und er führte ihn hinauf und zeigte ihm alle Reiche des Erdkreises in einem Augenblick. Und der Teufel sprach zu ihm: „Dir will ich alle Macht und all ihren Ruhm geben, denn mir gehören sie und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du dich vor mir verbeugst, soll alles dir gehören.“ Jesus aber antwortete ihm: „Es steht geschrieben: Du sollst DIE LEBENDIGE, deinen Gott, anbeten und allein ihr dienen.“

Darauf führte der Teufel ihn nach Jerusalem, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sagte zu ihm: „Bist du ein Gottessohn, so stürze dich hinab! Denn es steht geschrieben: Deinetwegen wird er seine Engel senden, dich zu behüten, und sie werden dich auf Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stoße.“ Jesus aber antwortete: „Es heißt: Du sollst DIE LEBENDIGE, deinen Gott, nicht herausfordern.“ Und als der Teufel die Prüfung ganz vollendet hatte, blieb er von ihm fern bis zur gelegenen Zeit.

Lk. 4, 1-13
Bibel in gerechter Sprache

Der Teufel lernt schnell. Wenn ich diese Geschichte von der Versuchung Jesu lese, fasziniert mich das immer am Meisten: schon nach dem zweiten Anlauf hat der Teufel den Schwachpunkt des Menschen erkannt, und geht gezielt darauf ein. Zweimal erklärt Jesus sein Gottvertrauen und seine Bibelkenntnis, da zeigt der Teufel schon, dass er auch bibelfest ist. Er verwendet selbst einen Psalm-Vers, und noch dazu einen sehr schönen, den ich schnell lieb gewonnen habe. Doch Jesus wäre nicht Jesus (und die Geschichte wäre nicht in der Bibel), wenn er die Gefahr der Versuchung nicht erkennen würde. Er merkt, dass in dieser Situation ein anderes Stück Bibel viel genauer dem Willen Gottes und der Frohen Botschaft entspricht.

Wir stehen am Beginn der Fastenzeit. Am Mittwoch haben wir uns im Zeichen des Kreuzes und der Asche zusprechen lassen: „Kehr um und glaub an das Evangelium“. In dieser Zeit verzichten viele auf Essen oder Kommunikation: auf Alkohol, Fleisch oder Facebook. Vielleicht will uns dieses Evangelium aber aufrufen zum Verzicht auf etwas viel Elementareres: auf Glaubensgewissheiten. Persönlich habe ich eine ganze Reihe liebgewordener Bibelverse und Glaubenssätze. Ich würde sicher blind drauf reinfallen, wenn diese Sätze plötzlich vom Teufel kämen. Und es fällt mir umso schwerer, ein biblisches Wort als falsch oder unpassend zu entlarven, je höher ich es persönlich schätze. Die Geschichte von der Versuchung Jesu zeigt aber einmal mehr, dass kein Wort Gottes in allen Lebenslagen gilt, und dass jedes ursprüngliche Gotteswort - teuflisch - missbraucht werden kann. Umkehren und Glauben heisst deshalb in dieser Fastenzeit für mich auch, von den angestammten Glaubenswahrheiten umzukehren und mich zu fragen, ob sie wirklich noch dem Sinn entsprechen: zu Gott und zum Wohl der Menschen zu führen, Frohe Botschaft zu sein.

Natürlich gilt die Zusage „deinetwegen wird er seine Engel senden, dich zu behüten“. Aber sie gilt eben nicht, wenn sich jemand selbst und selbstsüchtig vom Tempel stürzt, womöglich gleich noch andere Menschenleben mitreisst, um Gott zu beweisen oder ihm zu huldigen. Sie gilt für die Selbstlosen und Bedrängten; für alle, die Gott unbedingt nötig haben: „Ich will mich zeigen als Dein Gott / ich bin Dir nah in jeder Not / des Lebens Fülle ist Dein Teil / und schauen wirst Du einst mein Heil“ (mit GL 423/EGB nach Ps 91). Das wünsche ich uns auf dem Weg zum Osterfest: Umkehren und alle biblischen Sprüche hinterfragen; den Sinn des Gotteswortes sehen; dem Teufel ein Schnippchen schlagen; und somit letztlich: des Lebens Fülle!

Tobias Grimbacher

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Romevatican.JPG

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