Sonntagsbrief zu Pfingsten 20. Mai 2018
18. Mai 2018 von Tobias Grimbacher
Der Heilige Geist und die Kirche von heute
Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.
Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.
Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.
1 Kor 12,3b-7.12-13 Einheitsübersetzung
Der Heilige Geist und die Kirche von heute
Pfingsten gilt gemeinhin als das Geburtsfest der Kirche. Die österliche Schar der Jüngerinnen und Jünger, so berichtet die Apostelgeschichte, beginnt jetzt zu predigen, zu heilen und sich öffentlich als Gemeinschaft derer zu betätigen, die in der Nachfolge des auferstandenen Christus Jesus leben wollen. Als Motor ihres Handelns erkennen und erfahren sie die Heilige Geistkraft Gottes, die bereits Jesus geleitet hat. Diese Kraft befähigt die Kirche zur Vielfalt in der Einheit, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth, und spricht von verschiedenen Gnadengaben, Diensten und Wirkkräften, zu denen alle Getauften auf je eigene Weise befähigt und beauftragt sind.
Heutzutage blüht die Vielfalt der Kirche durchaus recht bunt, wenn man auf die Zahl verschiedener Konfessionen schaut. Nur innerhalb der katholischen Kirche tut sich der Heilige Geist schwer damit, Einheit und Vielfalt so auszutarieren, dass die Fähigkeiten aller Getauften da eingesetzt sind, wo sie den anderen nützen.
In der Schweiz bekommt er dabei etwas Schützenhilfe vom Staat. Die meisten Schweizer Kantone zwingen der katholischen Kirche ein duales System auf, bei der die bischöflich-priesterliche Hierarchie von einer demokratischen Struktur unterstützt wird. So entsenden im Kanton Zürich alle Kirchgemeinden Vertreter*innen in ein Kirchenparlament, die „Synode der römisch-katholischen Körperschaft im Kanton Zürich“, die wiederum den Synodalrat als Regierung von katholisch-Zürich wählt. Mit Franziska Driessen steht nun erstmals eine Frau an der Spitze dieser Regierung (und überhaupt erstmals an der Spitze einer Zürcher Landeskirche, denn auch unsere reformierten Geschwister haben bisher immer Männer ins höchste Amt gewählt). Natürlich hat die Synode nur ihre Pflicht erfüllt, und von zwei Kandidierenden die Person gewählt, die für die Aufgaben der Kirche im Kanton in den nächsten Jahren am besten geeignet scheint. Dennoch ist die Wahl einer Frau ein viel beachtetes Zeichen!
Zeichen – wofür eigentlich? Dass auch in der katholischen Kirche einmal normal wird, was in der Gesellschaft längst als selbstverständlich gilt? Dass der Heilige Geist unsere Kirche noch nicht ganz aufgegeben hat? Dass die Vielfalt an Ämtern und Strukturen der einen und einigen Kirche viel mehr nützt als schadet?
Ganz pragmatisch schaut Franziska Driessen auf die Aufgaben, die anstehen. Im Vorwort eines Informationsblatts* schreibt die neue Präsidentin des Synodalrats: „Auch in den kommenden Jahren werden wir ganz viel anpacken müssen. [...] Ist unser Engagement für die Schwächsten allen bekannt, oder müssen wir lauter werden? [...] Dafür brauchen wir die Unterstützung aller Engagierten!“
An Pfingsten erinnern wir uns, dass wir alle „mit dem einen Geist getränkt“ wurden, wie Paulus schreibt. Diese Geistkraft wünsche ich der neuen Synodalratspräsidentin - und Ihnen allen
Tobias Grimbacher
* Informationsblatt der kath. Kirche im Kanton Zürich April/Mai 2018
Foto: Franziska Driessen bei einem Vortrag (aufgenommen von Simon Spengler, veröffentlicht unter
Mit freundlicher Genehmigung von Simon Spengler