Sonntagsbrief zum 4. Januar 2015

3. Januar 2015 von Sigrid Grabmeier

Am Anfang war die Weisheit
und die Weisheit war bei Gott
und die Weisheit war wie Gott.
Diese war am Anfang bei Gott.
Alles ist durch sie entstanden
und ohne sie ist nichts entstanden.
Was in ihr entstanden ist, war Leben,
und das Leben war das Licht für die Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis,
aber die Finsternis hat es nicht aufgenommen.

Die Weisheit war das wahre Licht,
das allen Menschen leuchtet, die in die Welt kommen.
Sie war in der Welt,
und die Welt ist durch sie entstanden,
aber die Welt hat sie nicht erkannt.
In das ihr Eigene kam sie,
aber die Ihrigen haben sie nicht aufgenommen.
Allen denen aber, die sie angenommen haben,
denen gab sie Vollmacht, Kinder Gottes zu werden.
Das sind die, die an Gottes Namen glauben,
die nicht aus Blut und nicht aus irdischem Bestreben
und nicht aus dem Willen eines Mannes,
sondern aus Gott geboren sind.
Und die Weisheit wurde Materie
und wohnte unter uns,
und wir sahen ihren Glanz,
einen Glanz wie den eines einziggeborenen Kindes von Mutter und Vater
voller Gnade und Wahrheit.

Joh 1, 1-5, 9-14,
Übersetzung Bibel in gerechter Sprache

In der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache wird der Begriff des „logos“, der in der Vulgata mit „verbum“ und in den meisten deutschen Übersetzungen mit „Wort“ wiedergegeben ist, durch das viel weiter gefasste und der Bedeutung von „logos“ nähere Wort „Weisheit“ verdeutlicht. Andere Übersetzungsmöglichkeiten wären Sinn, Vernunft, Idee oder auch entsprechend der jüdischen Tradition ewiges Denken Gottes.

In diesem Hymnus, diesem Lobpreis, stoßen wir auf einen Widerspruch: Weisheit, Idee, Vernunft auf der einen Seite – Realität auf der anderen:
„Sie war in der Welt, und die Welt ist durch sie entstanden, aber die Welt hat sie nicht erkannt.“

Hier die Idee Gottes davon, dass es der Schöpfung, den Geschöpfen, den Menschen gut gehen, dass Leben gelingen möge und da die Realität von Blindheit, Ignoranz, Unfrieden, Ungerechtigkeit und Vernichtung. Täglich, in jeder Minute entsteht aus Gottes Weisheit neu Lebensgrundlage, Zukunft und neues Leben. Sie leuchtet, leuchtet für alle, - und wird millionenfach verdrängt, verdunkelt, verleugnet.

In Jesus ist die göttliche Weisheit in besonderer Weise Mensch geworden. Aber auch er musste erleben, wie er, wie die große göttliche Liebe, missachtet, gedemütigt, ans Kreuz geschlagen wurde. Die Weisheit Gottes aber ist größer als alles, was sie vernichten will. Sie ist immer gegenwärtig und wartet auf uns. Sie bleibt für alle Menschen zugänglich und kann alle erfüllen, diejenigen, die sich von ihr erfüllen lassen, verhelfen ihr dazu, Wirklichkeit, Realität zu werden.

Sigrid Grabmeier

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